Joichi Ito: Internet wird klassische Medien nie ersetzen
Trotz der Debatten um Kinderpornografie und Terrorismus im Netz ist der Vorstandsvorsitzende von Creative Commons gegen jegliche staatliche Zensur oder Datenüberwachung. "Das Internet muss in den Händen der Bürger bleiben, sonst wird es zerstört."
Das Internet wird auch in Zukunft klassische Medien wie Bücher und CDs nicht ersetzen: "Digitale Daten werden so billig werden, dass Fans etwas Exklusiveres, Authentischeres wollen", sagte der Internet-Investor und Blogger Joichi Ito in einem Gespräch mit dpa. Der US-Amerikaner japanischer Abstammung ist Vorstandsvorsitzender der Organisation für das alternative Lizenzsystem Creative Commons. Grundgedanke der "Creative Commons"-Lizenzen ist es, Inhalte in maschinenlesbarer Form mit ausgeweiteten Nutzungsrechten zu versehen und so eine "Infrastruktur für eine freie Kultur" sowie eine Alternative zu den Verwertungsmonopolen der Unterhaltungsindustrie zu schaffen. Anders als beim Urheberrecht oder beim Copyright US-amerikanischer Prägung behalten sich die Künstler bei CC nur einige Rechte vor, während sie die Nutzungsmöglichkeiten für Dritte erhöhen.
Ito hat zahlreiche Internet-Firmen wie Infoseek Japan und Flickr mitaufgebaut und gilt als einer der einflussreichsten Experten für die virtuelle Welt. Momentan leitet er ein Symposium bei der Ars Electronica im österreichischen Linz zum Thema "A new cultural economy – Wenn Eigentum an seine Grenzen stößt".
Während es Taschenbücher und Billig-CDs nach Meinung Itos in Konkurrenz zu Downloads aus dem Netz in Zukunft schwer haben werden, steige die Nachfrage nach Qualitätsmedien. "Im digitalen Zeitalter wird die physische Welt immer wichtiger, die Menschen wollen etwas in der Hand haben", sagte er. Als Beispiel nennt der Internet-Experte die Rockband Nine Inch Nails, die ihr neues Album zum kostenlosen Herunterladen ins Internet stellte und dennoch mit einer limitierten CD-Box und einer DVD zur Tour Rekordumsätze machte. "Es wird weiterhin einen Markt für geistiges Eigentum geben, die Unternehmen müssen nur etwas kreativer mit ihrer Business-Idee werden", erklärte er.
Generell wendet sich Ito gegen die landläufige Meinung, das Internet als Bedrohung für die allgemeine Sicherheit zu sehen. "Es hat ein ungeheures kreatives Potenzial", sagte er. Nie zuvor hätten so viele Menschen mit so einfachen, kostengünstigen Mitteln ihre Ideen ausleben und veröffentlichen können. "Wenn etwas im Internet erscheint, kann es unglaublich schnell in viele Sprachen übersetzt und weltweit veröffentlicht werden." Unterdrückten Minderheiten und den Opfern von Diktaturen verleihe es eine Stimme, die international gehört werden könne.
Trotz der Debatten um die Verbreitung von Kinderpornografie und Terrorismus im Netz ist Ito deshalb gegen jegliche staatliche Zensur oder Datenüberwachung. "Das Internet muss in den Händen der Bürger bleiben, sonst wird es zerstört." Er glaube an ein biologisches Modell, nach dem die Nutzer ihre Feinde selbst bekämpfen – wie bei einem Baby, dessen Immunsystem gegen Viren und Bakterien kämpfen müsse, um mit dem Alter immer resistenter zu werden. Auch das noch relativ junge Internet wird sich nach der Überzeugung Itos selbst regulieren und mit der Zeit immer besser werden: "Momentan ist es erst ein Teenager und hat gerade Windpocken bekommen."
Zur Ars Electronica 2008 siehe auch:
- "Alternativen zur Verwertungsindustrie" vs. "Überwachungssystem orwellscher Größenordnung"
- Ars Electronica 2008 diskutiert ĂĽber partizipative Produktionsweisen
(Miriam Bandar, dpa) / (jk)