Neue Anläufe zur Verbreitung des Digitalradios

Die europäische Branchenvereinigung EICTA hat eine Spezifikation mit drei Profilen für digitales Radio verabschiedet, während hierzulande die Landesmedienanstalten die konkrete Bedarfsanmeldung für Frequenzen gestartet haben.

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Totgesagte leben länger: Es tut sich was beim Digitalradio, wobei Landesmedienanstalten und öffentlich-rechtliche Hörfunksender weiter auf die bisher wenig erfolgreiche DAB-Familie setzen (Digital Audio Broadcasting). Andre Schneider vom Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) verkündete am Dienstag auf dem Forum Medienpolitik der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin, dass der europäische Dachverband EICTA (European Information, Communications and Consumer Electronics Technology Industry Association) eine Spezifikation mit drei Profilen für digitale Radiogeräte verabschiedet habe. Laut Wolf-Dieter Ring, dem Direktor der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), haben er und seine Kollegen der anderen Länder zudem die konkrete Bedarfsanmeldung für Frequenzen für den DAB-Bereich bei der Bundesnetzagentur gestartet, um so den telekommunikationsrechtlichen Rahmen abzustecken.

Für Ring ist es trotz der Rückschläge bei der Verbreitung des digitalen Radios unerlässlich, "dass wir energisch weitermachen mit einem größeren Angebot". Deutschland müsse das Ziel erreichen, das Medium Radio unter Nutzung der neuen digitalen Möglichkeiten zu stärken und zu verbessern. Dazu gehöre es, den Wettbewerb der Hörfunkveranstalter zu vergrößern und neue, kreative Anbieter zuzulassen. Schluss müsse zugleich damit sein, immer nur auf neue Techniken und Modell zu schielen und die eingeschlagenen Wege zu "zerreden". Er sehe den vernünftigsten Weg weiterhin in der DAB-Systemgruppe. Mit dem anlaufenden Frequenzzuweisungsverfahren müssten die Länder Farbe bekennen, bevor das eigentliche Ausschreibungsverfahren beginne.

Der Technikdirektor des Bayerischen Rundfunks, Herbert Tillmann, unterstützte seinen Landsmann: "Das Radio der Zukunft braucht einen eigenen Vertriebsweg." Die Ausstrahlung von Hörfunk über DVB-T, DVB-H oder übers Internet könne da nur eine Dreingabe sein. Besonders reine Webradios stünden nicht allein aufgrund der exorbitant steigenden Streamingkosten bei wachsender Nachfrage vor großen Schwierigkeiten. Dazu kämen massive Probleme mit den Lizenzen für die in der Verbreitung übers Netz kaum zu kontrollierenden Inhalte, wie das Beispiel USA zeige. An DAB führe daher kein Weg vorbei. Gefordert sieht Tillmann nach den Fortschritten bei den internationalen Standardisierungsprozessen, die ein Aussetzen des Digitalradios an den Ländergrenzen verhindern sollen, vor allem das Bundeswirtschaftsministerium. Dieses müsse den Umstieg auf den digitalen Rundfunk nun endlich "dem geneigten Publikum entgegenbringen".

Schneider betonte, dass die EICTA die Mindestanforderungen für Gerätehersteller jetzt offen gelegt habe. Ausgerichtet sei die Spezifikation vor allem auch auf den Einzug des Bildschirms etwa in MP3-Player oder Displays in Autos. Die drei Profile würden daher von Vorgaben für einfache Geräte mit reiner Audioausrichtung bis hin solchen für eine Bewegbildübertragung reichen. Dazwischen gebe es eine Ausrichtung auf Radios für Datenservice und Audioempfang mit Darstellungsmöglichkeiten für Standbilder und Grafiken. Nun sei ein Fahrplan unerlässlich, um die technische Basis konkret umzusetzen.

Weniger euphorisch blickte Ralf Reynolds vom Empfängerhersteller Pure Digital in die digitale Radiozukunft. "Wir wissen von nichts", sagte er im Hinblick auf konkrete technische Anleitungen und politische Zeitgrenzen in Deutschland. Trotzdem werde man von Oktober an auf Grundlage der sich abzeichnenden Trends auch hierzulande ein auf Linux basierendes Gerät auf den Markt bringen, das Audio mit UKW, DAB, DAB+ und Internetverknüpfung biete. Vor allem die Schweiz und Großbritannien seien schon deutlich weiter. Allein auf der Insel habe man bereits rund 2,2 Millionen digitale Radioempfänger verkauft.

Auch die privaten Sender zeigen sich weiterhin zurückhaltend. Der Umstieg im Vereinigten Königsreich sei "für UKW-Anbieter sehr schmerzhaft gewesen", gab Kai Fischer von Digital 5, einem Radiokonsortium großer privater Hörfunkveranstalter, zu bedenken. Die Werbeverluste im analogen Bereich hätten durch den Digitalbetrieb nicht aufgefangen werden können. Insgesamt erwirtschafte der private Hörfunk hierzulande 100 Millionen Euro im Jahr. Ein Multiplex für den professionellen DAB-Betrieb koste aber allein schon 43 Millionen Euro. Es müsse sich also "deutlich was bewegen", damit private Veranstalter in der Lage seien, ein Programm im digitalen Radio "vernünftig zu vertreiben". Für ihn bleibe also "ein großes Fragezeichen".

Ähnlich äußerte sich Stephan Ory von der Arbeitsgemeinschaft Privater Rundfunk (APR). "Wir werden die Investitionen so nicht stemmen können", plädierte er für einen Kurswechsel bei der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF). Diese hatte die Einführung von DAB im Januar für gescheitert erklärt und Finanzmittel nur noch für den Erhalt der bestehenden DAB-Sender freigegeben. Detlef Pagel vom Deutschen Forum für die schmalbandige DAB-Alternative Digital Radio Mondiale (DRM) sprach sich zudem dafür aus, zunächst eine Digitalisierung im UKW-Bereich voranzutreiben und somit gerade kleinen privaten Programmanbietern über DRM eine Chance zu geben. Die ausstehenden Fragen müsse ein "potentes Projektbüro" in Form einer Deutschen Radio-Plattform analog zum Fernsehbereich klären. (Stefan Krempl) / (jk)