Neue Bedenken gegen Web-Sperren im Kampf gegen Kinderpornographie

Grüne, Daten- und Opferschützer sehen den Vorstoß von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen zur Blockade kinderpornographischer Seiten skeptisch, Jugendschützer und die CSU sind dafür.

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Der Ruf von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen nach einer raschen Vereinbarung zum Sperren kinderpornographischer Web-Seiten durch die Internetprovider hat bei Oppositionsparteien sowie Daten- und Opferschützern Bedenken ausgelöst. So mahnte der Internetexperte des Weißen Rings, Veit Schiemann, die technischen Tücken des Vorstoßes der CDU-Politikerin nicht zu unterschätzen. Es sei für das Bundeskriminalamt (BKA), das die schwarze Liste erstellen soll, eine große Herausforderung, auf die schnelllebige Kriminalität im Internet zu reagieren. Da die Verbreiter kinderpornographischer Bilder jederzeit ihre Adresse oder die Inhalte ihrer Seiten ändern können, sei der Arbeitsaufwand bei der Aktualisierung der Blockaden für die Ermittler und die Zugangsanbieter nicht zu unterschätzen.

Das Internet hat laut Schiemann mittlerweile einen Status erreicht, "dem man eigentlich nicht mehr hinterherkommt". Sei ein Bild einmal im Netz, gebe es kaum noch Möglichkeiten, es zurückzuholen. Zwar gebe es Computerprogramme, die nach bestimmten Darstellungen fahnden könnten, doch ein Großteil der Arbeit für die Aktualisierung der Listen sei immer noch von Menschen zu erledigen: "Die Polizei muss technisch, personell und finanziell dafür ausgestattet sein", erklärte Schiemann. Man könne den Kampf gegen das Verbrechen nur aufnehmen, wenn man ihm ebenbürtig sei.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar äußerte sich im Berliner "Tagesspiegel" zurückhaltend gegenüber der Initiative der Familienministerin. Grundsätzlich sehe er bei dem Blockieren solcher Seiten zwar kein Datenschutzproblem. Es hänge aber viel von der technischen Ausgestaltung der Filterung an. "Wenn etwa die Telekom auswertet, welche Internetadresse jemand aufruft, wäre das eine komplett neue Technologie. Damit müsste im Grund das gesamte Surfverhalten eines Nutzers durch solch einen Filter hindurch", verwies Schaar auf mögliche tiefe Eingriffe in die Privatsphäre der Surfer. Damit würde eine Überwachungsstruktur geschaffen, die sich mühelos auf andere Inhalte ausweiten ließe.

Der Datenschützer ist nach eigenen Angaben noch nicht in den Plan von der Leyens eingeweiht worden. "Wenn aber nun etwas Konkretes mit den Internetanbietern verabredet wird, dann sollte der Datenschutz berücksichtigt werden", fordert er. Es müsse vermieden werden, dass normales individuelles Surfverhalten nachverfolgt werde. Sonst könnten entsprechende Überwachungssysteme etwa auch für die Kontrolle von Urheberrechten benutzt werden.

Die grüne Familienpolitikerin Ekin Deligöz warnte davor, sich von einer Sperrung von Kinderpornos im Internet "Wunder" zu erwarten. "Der Zugang zu Internetseiten kann blockiert werden, aber nicht der Zugang zu Pornographie", weiß die künftige Vorsitzende der Kinderkommission des Bundestags. Der Konsum verschiebe sich auf ausländische Seiten oder auch auf den Postweg. Sie unterstütze eine Gesetzesänderung für das Vorhaben der Familienministerin dennoch, da es damit zumindest schwieriger werden könnte, an Kinderpornographie heranzukommen. Nur Lob zollte Stephan Mayer, rechtspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Parlament, der von der Ministerin gewünschten Sperrvereinbarung. Er plädierte dafür, im Kampf gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern "alle verfassungsrechtlich möglichen Mittel" zu nutzen und die europäische Zusammenarbeit in dieser Hinsicht weiter auszubauen.

Der Deutsche Kinderschutzbund würde eine Web-Blockade ebenfalls begrüßen. Von der Leyens Vorschlag komme einer "ewigen Forderung vieler Verbände" nach. Zugleich drängte die Vereinigung auf die Einführung härterer Strafen für Konsumenten kinderpornografischer Bilder. Es handle sich dabei um ein klares Verbrechen. August-Wilhelm Scheer, Präsident des IT-Branchenverbands Bitkom, unterstrich die Forderung der Internetwirtschaft nach einer gesetzlichen Grundlage für Netzsperren: "Wir brauchen eine klare Aussage in dem geplanten Gesetz, dass die Provider keine rechtlichen Risiken eingehen." Schließlich könne das Vorhaben mit technischen Nebenwirkungen verbunden sein. Es müsse davon ausgegangen werden, dass von den Blockaden im Einzelfall auch "saubere Seiten" betroffen sein könnten. Zudem betonte Scheer die Notwendigkeit, die Regelung auf das besonders schwerwiegende Problem der Kinderpornografie zu beschränken: "Wenn wir solche Sperren allgemein gegen unerwünschte Inhalte im Netz einsetzen müssten, käme das einer Zensur nahe."

Der Bitkom-Chef unterstrich weiter, dass sich die deutsche Hightech-Branche schnelle Ergebnisse der gemeinsamen Initiative gegen Kinderpornografie wünsche. "Internet-Sperren können ein wichtiger Teil der Strategie gegen solche abscheulichen Verbrechen sein", sagte Scheer. "Damit können wir auch deutlich machen, dass wir diese Form von Kriminalität besonders ächten." Blockaden im Netz seien aber nicht in der Lage, die polizeiliche Arbeit und ein international koordiniertes Vorgehen der Behörden gegen die Täter zu ersetzen. Zudem gebe es Möglichkeiten, die Zugangsblockaden mit entsprechendem Fachwissen zu umgehen. (Stefan Krempl) / (mw)