New Economy: Wer war schuld am ganzen Hype?

Nach der Entzauberung der New Economy fragt sich die Medienbranche, wer die Börseneuphorie eigentlich ausgelöst hat.

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Vor einem Jahr füllten sie die Seiten der Fach- und Publikumsblätter und lachten von den Titelseiten der Hochglanzmagazine: Die oft in Rudeln auftretenden Startup-Gründer waren hip und sorgten für Auflage und Anzeigenwachstum. Komplett neue Zeitungsprojekte wie Net-Business frönten dem Zeitgeist und setzten auf den immerwährenden Aufschwung der New Economy. Doch längst ist die Blase geplatzt: Bereits börsennotierte Dot.Coms und E-Commerce-Dienstleister sind auf dem Boden der Realität unsanft gelandet, Startups stürzen ihre Geschäftsmodelle um und entlassen genauso wie die Blätter rund um die New Economy immer mehr Mitarbeiter. Aber auch private Anleger, die sich von der Euphorie hatten anstecken lassen, betrachten entsetzt ihre Depotauszüge und erwägen Klagen gegen die vormaligen "Börsenstars".

Auf einer Podiumsdiskussion mit Vertretern aus der Wirtschaftspresse, der entzauberten New Economy und Abgesandten von Unternehmensverbänden am gestrigen Dienstag, zu der die Beratungsfirma Heaven 21 eingeladen hatte, wurde nun die Schuldfrage aufgeworfen. Uli Pecher, Chefredakteur der um Leser kämpfenden deutschen Ausgabe von Business 2.0, nahm dabei vor allem die eigene Zunft in die Pflicht. Doch die Diskussionsteilnehmer aus der Börsenpresse wollten sich den Schuh nicht wirklich anziehen und wehrten sich gegen den unterschwellig laut gewordenen Vorwurf der Volksverdummung.

"Es ist natürlich einfach, den Schwarzen Peter weiterzuschieben und zu sagen: Der Leser will es!", versuchte Max Höfer, Leiter des Berlin-Büros von Capital, Image-Schäden zu begrenzen. Als Anlegermagazin müsse man bei einem mehrjährigen Börsenhype einfach mitspielen, auch wenn es Pflicht der Redakteure sei, auf alternative Investitionsmöglichkeiten hinzuweisen. Wer zwischen 1996 und 2000 an den Wachstumsmärkten investiert habe, habe ja auch viel Geld verdient. Höfer weiter: "Man muss natürlich auch rechtzeitig aussteigen."

Außerdem gab der Capital-Redakteur zu, dass "wir auch nur bei den Bankanalysten abschreiben". Die Anlegerblätter hätten einfach darauf reagieren müssen, als die führenden Börsenauguren die Werte der Old Economy massiv abwerteten und Papiere aus der New Economy im Gegenzug nach oben stuften. Geschadet hätten sich dabei vor allem die Banker mit ihren "unkritischen Berichten", weniger die sich auf sie stützenden Medien.

Auch Jürgen Homeyer von Focus Money schimpft auf die Finanzinstitute und ihre Politik: "Die Banken haben suggeriert, dass die jungen Firmen nicht mehr den Gesetzen der Ökonomie unterliegen." Sie seien auch diejenigen gewesen, die mit dieser Masche am besten gefahren seien. "Schaut man sich die Jahresberichte der Banken an, so konnten sie über die letzten Jahre hinweg Gewinnanstiege zwischen 40 und 50 Prozent ausweisen", gibt der Redakteur zu Bedenken. Er selbst habe sich von Anfang an gegen den Begriff der New Economy gewehrt: "Nur der Vertriebsweg ist neu, die Gesetze der Marktwirtschaft müssen höchstens modifiziert werden."

Die nachträgliche Schadensbegrenzung hört sich angesichts entgegengesetzter Töne vor einem Jahr nicht besonders aufrichtig an. Medienwissenschaftler sind sich einig darüber, dass die schreibende Zunft Trends weniger prägt als vielmehr aufgreift, verstärkt und dabei dem Leser letztlich nichts verkaufen kann, was dieser nicht bereitwillig aufnimmt; doch eine stärkere Berücksichtigung kritischer Gegenstimmen, die es auch während des Startup-Hypes reichlich gegeben hat, hätte nicht schaden können.

Das gilt generell auch für das den Medien inzwischen leicht fallende Einhauen auf die einst hochgejubelten Helden. "Genauso undifferenziert, wie noch vor ein oder zwei Jahren mit einer grenzenlosen Euphorie die New Economy betrachtet wurde, werden jetzt die Misserfolge verallgemeinert", ärgert sich Marek Wojcicki, Vorstandschef von Heaven 21. Diese Sicht erkläre nichts, da sie auf die Analyse von vornherein verzichte. Dem Konzept des neuen Wirtschaftens und Marketings will Wojcicki nämlich längst noch nicht den Todesstoß versetzen. Seiner Ansicht nach verkennen Medien und Analysten heute, "dass sich die New Economy keineswegs ausschließlich auf die frischen Dot.Coms, sondern auf eine Reihe von neuen Geschäftsmodellen und Geschäftsprozessen bezieht". (Stefan Krempl) / (jk)