ORF verliert Kampf um Programmentgelt von Nicht-Seher

Der österreichische Gerichtshof hat entschieden, dass Nutzer, die die ORF-Programme nicht empfangen können, kein Programmentgelt dafür entrichten müssen.

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Wer die Programme des Österreichischen Rundfunks (ORF) nicht empfangen kann, muss auch kein Programmentgelt an den ORF bezahlen. Was für Außenstehende nahe liegend klingt, wurde vom ORF und seiner Inkasso-Tochter GIS bislang anders gehandhabt. Erstmals aber hat ein Betroffener nicht freiwillig gezahlt, sondern auf dem Rechtsweg eine höchstgerichtliche Entscheidung erfochten. Erst vor dem Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat der Mann Recht bekommen (Zl. 2008/17/0059-8, Entscheidung als PDF).

Begonnen hat der Fall mit der Einstellung der Betacrypt-Verschlüsselung der ORF-Satellitenübertragung Anfang des Jahres. Ein davon betroffener Salzburger wollte weder in eine DVB-T-Box für terrestrischen Empfang noch in einen neuen Satellitenreceiver investieren und verzichtete damit auf den Empfang von ORF1 und ORF2, nicht aber auf ausländische Programme. Die ORF-Tochter GIS wollte weiterhin das ORF-Programmentgelt von 15,18 Euro monatlich kassieren, seit 1. Juni sind es 16,61 Euro. Außerdem wurden monatliche Abgaben in Form von Rundfunkgebühren für Radio (0,36 Euro) und TV (1,16 Euro), Kunstförderungsbeitrag (0,48 Euro) und Salzburger Landesabgabe (3,10 Euro) per Bescheid vorgeschrieben.

Der ORF-Verweigerer sah zwar ein, die für Haushalte mit Rundfunkempfangseinrichtungen vorgesehenen Abgaben von 5,10 Euro monatlich entrichten zu müssen. Das vielfach höhere ORF-Programmentgelt wollte er mangels ORF-Empfang aber nicht bezahlen. Er widersprach dem GIS-Bescheid, stieß bei den zuständigen Finanzbehörden aber auf Ablehnung. Erst der VwGH entschied zu seinen Gunsten: "Ein Programmentgelt nach dem ORF-Gesetz ist (...) nur bei einem Empfang der Hörfunk- bzw. Fernsehsendungen des ORF zu entrichten." Der ORF-freie Fernseher des Mannes stelle zwar eine Rundfunkempfangsanlage im Sinne des Rundfunkgebührengesetzes, nicht jedoch im Sinne des ORF-Gesetzes dar. Die GIS darf von dem Beschwerdeführer daher kein Fernseh-Programmentgelt mehr kassieren und muss die Verfahrenskosten von knapp 1.200 Euro tragen.

Von dem Urteil profitieren könnten Satelliten-Haushalte mit Digital-Receiver ohne ORF-Decoderkarte oder mit rein analogem Sat-Empfang. Außerdem Haushalte, die sich in einem nicht mehr mit analogem terrestrischem TV-Signal versorgten Gebiet befinden und einen Fernseher entweder nur als Abspielgerät vorhalten oder aber in Grenznähe leben und ausländische analoge TV-Signale empfangen. Jedoch will die GIS es diesen Menschen keineswegs leicht machen. Jeder Betroffene soll in einem eigenen Verfahren nachweisen, dass er keinen ORF mehr empfangen kann. Außerdem könnte der ORF versuchen, die unverschlüsselt via Satellit verbreiteten Rumpfprogramme ORF2 Europe und ORF Sport Plus als Argument zu bemühen, um von jedem Satellitenhaushalt zu kassieren. Nur eine weitere höchstgerichtliche Entscheidung könnte dann endgültig Klarheit schaffen.

In österreichischen Medien ist sofort eine politische Diskussion über die Entscheidung entbrannt. Das größte Nachrichtenportal des Landes, ORF On, schweigt sich allerdings aus. Während SPÖ-Mediensprecher Josef Cap keinen Handlungsbedarf sieht, verlautbarte aus dem Büro seiner Parteikollegin und Medienministerin Heidrun Silhavy der Wunsch nach einer Gesetzesänderung. Demnach müsste unabhängig von Empfangbarkeit an den ORF bezahlt werden.

Siehe dazu auch:

(Daniel AJ Sokolov) / (ad)