Österreichs Rechnungshof kritisiert Überwachungsvollzug

Gerichte sollen bei ihren Überwachungsbeschlüssen mehr Daten an die Telecom-Unternehmen als zulässig weitergegeben haben, moniert der Rechnungshof unter anderem. Zudem fehle den Ermittlern die Technik für Überwachungen.

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Der österreichische Rechnungshof hat anhand von stichprobenartigen Kontrollen der Überwachung von Telekommunikation und Internet im Jahr 2006 und einigen Jahren davor Mängel festgestellt. Demnach haben Gerichte bei ihren Überwachungsbeschlüssen wesentlich mehr Daten an die Telekommunikationsbetreiber weitergegeben als zulässig. So habe es etwa Hinweise auf die Identitäten von Vertrauenspersonen und verdeckten Ermittlern gegeben, was deren Sicherheit gefährdet habe. Auch Angaben über Beschuldigte und darüber, welcher Tat sie verdächtigt wurden, waren dabei im Umlauf. Das habe nicht nur den Ermittlungserfolg gefährdet, sondern auch die Rechte der Betroffenen verletzt. Schließlich ließen sich die Gerichte mit der Bezahlung der Überwachungsgebühren an die Netzbetreiber oft monate-, in Einzelfällen jahrelang Zeit. Das geht aus dem nun veröffentlichten Bericht (PDF) des österreichischen Rechnungshofes hervor.

Beim Innenministerium wurde bemängelt, dass die Beschaffung der für Observationen erforderlichen technischen Ausrüstung zentral ohne eine Überprüfung anhand konkreter Problemstellungen abgewickelt worden sei. Unzureichende Budgets hätten dazu geführt, dass Ausrüstung nicht gekauft werden konnte und die Ermittler mit der technischen Entwicklung nicht Schritt halten konnten. "Die Nutzung des Mediums Internet konnte aufgrund des Fehlens technischer Voraussetzungen in zunehmendem Maße nicht überwacht werden", schreibt der Rechnungshof. Darauf hätten die Einsatzabteilung, Bundeskriminalamt und die Technikabteilung des Innenministeriums nicht angemessen reagiert. Der Rechnungshof empfiehlt beispielsweise die Anschaffung zusätzlicher Handy-Peilgeräte und die Modernisierung der Videoüberwachungsausrüstung.

Das Justizministerium habe seine Berichtspflichten an Nationalrat, Datenschutzrat und Datenschutzkommission nicht ausreichend erfüllt, moniert der Rechnungshof. Die veröffentlichten Statistiken über Überwachungen waren laut dem Bericht aufgrund von Mängeln bei Datenerhebung und -auswertung fehlerhaft, teilweise fehlten Daten. Auch der vom Verfassungsgerichtshof an die großen Telecom-Netzbetreiber zu leistende Ersatz für vorgeschriebene Investitionen in Überwachungstechnik sei nicht erfolgt. Ein entsprechender Anlauf wurde erst vergangene Woche unternommen, laut Wirtschaftskammer sind statt der budgetierten 17 Millionen Euro aber 30 Millionen erforderlich.

Kritisiert werden zudem die Telecom-Betreiber. Sie hätten Überwachungsmaßnahmen prinzipiell nur zu Bürozeiten eingeleitet und auch nur zu Bürozeiten wieder beendet. "Dies führte zum unwiederbringlichen Verlust von Inhaltsdaten (in der Regel Gesprächsinhalten) sowie zur ungesetzlichen Fortführung von Maßnahmen, die Grund- und Freiheitsrechte der Betroffenen verletzten", berichtet der Rechnungshof. Schließlich sei die Installation von Abhöreinrichtungen gemäß der vorgeschriebenen ETSI-Standards teilweise stark verzögert erfolgt.

Die Zahl der Telekommunikationsüberwachungen wuchs laut dem Bericht von 787 im Jahr 2001 auf 4560 im Jahr 2005 und ging 2006 auf 3979 leicht zurück. Die dadurch entstandenen Kosten stiegen von 1,62 Millionen Euro im Jahr 2001 auf 6,5 Millionen Euro im Jahr 2006. Die jährliche Zahl der Späh- und Lauschangriffe bewegte sich im einstelligen Bereich, die Zahl der Videofallen im oberen zweistelligen. Mit den erst 2008 eingeführten, umstrittenen Überwachungsrechten nach dem Sicherheitspolizeigesetz (SPG) befasst sich der Bericht nicht. (Daniel AJ Sokolov) / (anw)