Popkomm: Wege zur Kommerzialisierung von Filesharing gesucht
Die Entwicklung von Geschäftsmodellen rund um Peer-to-Peer-Netzwerke steht im Mittelpunkt der ersten Konferenz "P2P & Music", wobei werbegetriebene Ansätze wie beim Portal QTrax bislang im Vordergrund stehen.
Die Entwicklung von Geschäftsmodellen rund um Peer-to-Peer-Netzwerke (P2P) steht im Mittelpunkt der Konferenz "P2P & Music" am heutigen Freitag im Rahmen der Popkomm in Berlin. Angesichts der Tatsache, dass über 450 Millionen Nutzer weltweit Filesharing-Software auf ihren Rechnern installiert hätten und aktiv nutzten, führe an der "Adaption" und "Kommerzialisierung" von P2P kein Weg vorbei, betonte Marty Lafferty, Geschäftsführer der Distributed Computing Industry Association (DCIA), auf dem ersten Kongress dieser Art auf der Musikmesse. Filesharing spüle den Internetprovidern zwar bereits 28 Milliarden US-Dollar pro Jahr in die Kassen. Darüber hinaus könnten und sollten aber auch diverse andere Anbieter vom P2P-Boom profitieren.
Die Beziehungen zwischen technischen Filesharing-Dienstleistern und der Musikindustrie sind seit dem Napster-Debakel nicht gerade freundlich. "P2P bleibt ein schmutziges Wort für viele Labels", wusste Allen Klepfisz, Geschäftsführer des Anfang des Jahres unter Mühen gestarteten werbefinanzierten Filesharing-Musikportal QTrax, zu berichten. Die Verbraucher würden die Punkt-zu-Punkt-Verbindungen aber nicht nur nutzen, weil sie dort kostenlos Inhalte finden. Entscheidend sei für sie auch, dass es dort Songs und Aufnahmen gebe, die in den Katalogen von Plattenfirmen gar nicht (mehr) angeboten werden. Diese Palette reiche von alten Stücken über Live-Mitschnitte von Konzerten. Langsam erwärme sich die Musikbranche aber für das "Kostenlose", solange etwa über Werbung damit Einnahmen zu erzielen seien.
Nach "sieben Jahren Schwangerschaft", wie Klepfisz im Rückblick sagt, habe QTrax nun Universal Music und EMI im Boot. "Erstmals" biete die auf Gnutella basierende Plattform gratis und legal Songdateien aus schier den gesamten Katalogen der beiden großen Labels in hoher Qualität zum Download in den USA an. Die Stücke seien größtenteils auch auf portable Geräte übertragbar. "Kostenlos" stehe damit endlich nicht mehr für unlizenziert, niedrige Qualität oder illegal. Über Verträge mit Verwertungsgesellschaften zur Vergütung von Autoren und Komponisten schwieg sich Klepfisz aber aus. Auch einen Starttermin für den Download-Service in Europa oder anderen Teilen der Welt hatte er nicht parat.
Eric Garland, Mitgründer des auf P2P spezialisierten US-Marktforschungsinstituts BigChampagne, hatte zuvor im Einklang mit US-Bürgerrechtlern den Kampf der Unterhaltungsindustrie gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet für gescheitert erklärt. In den USA, wo große Labels und ihr Interessenverband RIAA die Anti-Pirateriekampagnen gestartet hätten, "haben die Majors ihre Ausgaben für diesen Bereich deutlich zurückgefahren". Dies liege schlicht an einer Kosten-Nutzen-Analyse, da sich die ausgegebenen Millionen für Klagen "hauptsächlich gegen Kinder" insgesamt nicht rentiert hätten. Die Filesharing-Aktivitäten würden weiter langsam, aber ständig wachsen.
Nach Garlands Schätzungen werden pro Monat derzeit mindestens eine Milliarde Songs widerrechtlich aus dem Netz geladen. Lafferty gab die tägliche Menge aller per Filesharing ausgetauschter Dateien gar mit einer Milliarde an. Die Unterhaltungsindustrie hat nach Garland ihr Augenmerk daher nun auf "kooperative Anstrengungen" und " abgestufte Antworten" auf Urheberrechtsverstöße gelenkt. Das Ansinnen, Zugangsanbieter als Hilfssheriffs einzuspannen, laufe aber zumindest in den USA ebenfalls nicht gut.
Lafferty wies zudem darauf hin, dass sich die P2P-Branche im Stadium der Ausdifferenzierung befinde. Neben den bekannten großen Plattformen BitTorrent, eMule und Lime Wire gebe es viele Neustarter wie Blubster, Memo oder MP2P. Seit 2007 sei P2P-Fernsehen über Anbieter wie Joost, Zattoo, Babelgum oder Miro im Kommen. Die neueste Entwicklung seien hybride, P2P-angetriebene Dienste wie Octoshape, Pando, Abacast, Cloudshield, Gridnetworks oder Ignite. Neben QTrax würden iMesh, Vuze und im Bereich P2P-Internettelefonie Skype auf werbebasierte Modelle setzen. Um das Image des jungen Wirtschaftszweigs zu verbessern, kündigte der DCIA-Chef an, einen Mechanismus zum Melden und Filtern strafbarer Inhalte entwickeln zu wollen. Einzelheiten dazu konnte er aber noch nicht verraten. Der Lobbyvereinigung gehören Firmen wie BitTorrent, Joost, Kontiki, einige kleinere Inhalteanbieter sowie die Netzprovider AT&T, Comcast und Telefonica an.
In die auf der Popkomm wieder aufgebrochene Urheberrechtsdiskussion schalteten sich derweil auch die Sprecherin der Arbeitsgruppe für Kultur und Medien der SPD-Bundestagsfraktion, Monika Griefahn, und ihr für Medienpolitik zuständiger Kollege Jörg Tauss ein. Ihrer Ansicht nach verschärft "die jahrelange Verzögerung einer Einigung" über die Zahlung von Urheberrechtsabgaben für Privatkopien etwa auf CD-Brenner, Scanner oder PCs die "bedrohliche Situation" von Künstlern. Deswegen müssten die Verhandlungen über die Vergütungssätze für Urheber zwischen Verwertern und der Geräteindustrie endlich auf Basis der jüngsten Urheberrechtsreform abgeschlossen werden. Sollte es weiter dabei bleiben, dass die gesetzlich gegebene Möglichkeit einer freien Einigung zwischen den Vertragsparteien zu keinem Ergebnis führe, spreche alles dafür, den Katalog der Abgaben wieder per Verordnung festzulegen.
Zur Popkomm und zur Situation der Musikbranche in der digitalen Welt siehe auch:
- Albträume europäischer Verwertungsgesellschaften
- Musikmanager fordert Ende des Kampfs gegen die Netzpiraterie
- Die Musikbranche und die Grenzen der digitalen Welt
(Stefan Krempl) / (anw)