Provider in Österreich müssen Nutzerdaten herausgeben
Der Oberste Gerichtshof in Wien hat in letzter Instanz entschieden, dass Namen und Adressen von Internetnutzern nicht dem Telekommunikationsgeheimnis unterliegen und bei Gesetzesverstößen an die Rechtehalter zu übermitteln sind.
Der Oberste Gerichtshof (OGH) in Wien hat entschieden, dass Namen und Adressen von Internetnutzern nicht dem Telekommunikationsgeheimnis unterliegen und bei Gesetzesverstößen von den Providern an die Rechtehalter zu übermitteln sind. Damit ist in Österreich ein langer Streit um Auskunftspflichten der Internetanbieter zum Ende gekommen, da das Urteil in letzter Instanz erfolgt und bereits rechtskräftig ist. Laut dem OGH müssen die Provider die persönlichen Daten unabhängig davon herausgeben, ob sich ihre Kunden mit einer gleich bleibenden statischen oder einer wechselnden dynamischen IP-Adresse im Netz bewegen. Gerichte niederer Instanzen in Wien und Graz waren zunächst geteilter Meinung gewesen, ob nicht zumindest die dynamisch vergebenen Internet-Kennungen der Nutzer dem Fernmeldegeheimnis unterlägen. Beim Surfen mit wechselnden IP-Adressen müssen Providern erst ihre Logfiles auswerten, um die Kennungen einem bestimmten Kunden zuzuordnen.
Laut dem OGH ist die technische Vergabe der IP-Adressen jedoch irrelevant. Bei der Auskunft über Namen und Adresse handele es sich um eine so genannte Stammdatenauskunft, urteilten die Richter. Sie sprachen sich damit gegen die Argumentation der Providerseite aus, die von einer Telekommunikationsüberwachungsmaßnahme mit entsprechend höheren Eingriffsschranken ausging. Der Auskunftsleistung des Providers stehen nach Ansicht des OGH weder grundrechtliche, datenschutzrechtliche noch telekommunikationsrechtliche Bestimmungen entgegen.
Mit der Entscheidung vom 26. Juli habe die höchste Instanz "eine wesentliche Grundsatzentscheidung für die Bekämpfung von Filesharing aber auch anderer Rechtsverletzungen im Internet getroffen", jubiliert der Verband der Österreichischen Musikwirtschaft unter dem Dach der weltweiten Organisation IFPI. "Eine Anonymität im Internet, mit der manche Filesharer offenbar spekuliert haben, gibt es bei Gesetzesverletzungen definitiv nicht", begrüßt Verbandschef Franz Medwenitsch die neue "Rechtssicherheit" in Österreich. Eine Sprecherin der österreichischen Providervereinigung ISPA erklärte dagegen das Urteil für "nicht nachvollziehbar". Man warte auf die schriftliche Begründung.
Auch in Deutschland ist der gerichtliche Streit um die Auskunftspflichten von Providern bei Rechtsverletzungen in vollem Gange. Allerdings haben hierzulande die Oberlandesgerichte Hamburg, München und Frankfurt am Main bislang die Frage gänzlich anders entschieden. Demnach müssen die Netzanbieter die begehrten Kundendaten nicht Vertretern der klagenden Musikindustrie mitteilen. Zur Begründung geben die Oberlandesrichter insbesondere an, dass das deutsche Urheberrechtsgesetz keinen Auskunftsanspruch hergebe. Das österreichische Pendant stellt in Paragraph 87b dagegen klar, dass Internetanbieter "dem Verletzten Auskunft über die Identität des Verletzers zu geben haben".
Änderungen der Rechtslage sind aber auch hierzulande geplant. So hat die rot-grüne Bundesregierung in den umstrittenen Entwurf für ein Telemediengesetz den Grundstein für einen Auskunftsanspruch bereits gelegt. Ob es sich dabei um einen "Kann-" oder "Muss"-Bestimmung zur Datenherausgabe handeln sollte, hatte das federführende Bundeswirtschaftsministerium zunächst offen gelassen. Diskutiert wird die Einführung entsprechender Regelungen auch im Rahmen der anstehenden Umsetzung der so genannten "EU-Durchsetzungsrichtlinie" für geistiges Eigentum. Die Union hat zudem bereits wiederholt die Einführung eines Auskunftsanspruchs zur Bekämpfung von Raubkopierern in das Urheberrechtsgesetz gefordert.
Oliver Süme, Rechtsexperte beim Verband der deutschen Internetwirtschaft eco, sieht von dem österreichischen Urteil zunächst keine Auswirkungen für Deutschland ausgehen. Die Rechtsprechung hierzulande sei "eindeutig". Er fürchtet aber, dass die Debatte um Auskunftsansprüche erneut angeheizt werden könnte. Seiner Ansicht dürfen die Provider etwa bei Urheberrechtsverletzungen nicht als Rechtsverletzer oder Störer in Anspruch genommen werden. Sollte der Gesetzgeber anders entscheiden, müsste zumindest gleichzeitig angesichts der zu erwartenden Flut an Auskunftsersuchen eine Kostenerstattung mit verankert werden. Ein Auskunftsanspruch dürfe zudem nur in einem System verankert werden, "das den Providern und den Nutzern Rechtssicherheit gibt". (Stefan Krempl) / (jk)