US-Berufungsgericht erklärt Online-TV-Recorder für legal
Der Court of Appeals for the Second Circuit in New York hat in zweiter Instanz grünes Licht für einen zentralen Aufzeichnungsdienst von Fernsehsendungen übers Internet vom TV-Kabelanbieter Cablevision gegeben.
Das US-Berufungsgericht für den US-Bundesgerichtsbezirk New York hat dem US-Kabelfernsehanbieter Cablevision grünes Licht für einen zentralen Aufzeichnungsdienst von Fernsehsendungen übers Internet gegeben. Der Court of Appeals for the Second Circuit stellte am gestrigen Montag in seinem Urteil (PDF-Datei) im Rechtsstreit zwischen dem Kabelnetzbetreiber und Filmstudios sowie Fernsehanstalten klar, dass der geplante Online-TV-Recorder "nicht direkt die exklusiven Rechte der Kläger zur Reproduzierung und öffentlichen Darbietung ihrer Copyright-geschützten Werke verletzen würde". Ein Bezirksgericht in Manhattan war zunächst im März 2007 zur entgegengesetzten Auffassung gekommen. Das Berufungsgericht verwies den Fall nun wieder zurück an die niedrigere Instanz.
Cablevision hatte seinen Plan für ein digitales "Remote Storage"-Videosystem im Frühjahr 2006 vorgestellt. Das Vorhaben, laufende TV-Sendungen nicht auf einem Recorder oder einer Festplattenbox direkt im Haushalt des Verbrauchers, sondern auf Speichervorrichtungen bei dem Kabelnetzanbieter zu speichern, erregte den Argwohn großer Hollywoodstudios wie Twentieth Century Fox, Universal City Studios, Paramount Pictures, Disney, die Time-Warner-Tochter CNN oder NBC. Sie sahen ihr Copyright durch die Online-Aufbewahrung ihrer Filme oder Sendungen verletzt und verklagten Cablevision. Konkret brachten sie vor, dass der geplante Speicherdienst stärker einem Video-on-Demand-Angebot gleichkomme als einem Videorecorder. Cablevision müsse daher einzelne Lizenzen bei den Inhalteanbietern erwerben.
Das Berufungsgericht wies diese Ansicht genauso zurück wie die Meinung der Kläger, dass der Kabelanbieter unautorisierte öffentliche Darbietungen praktiziere. Auch wenn Tausende Haushalte gleichzeitig eine gespeicherte Sendung abrufen würden, werde jede davon zunächst einzeln in einem Heim abgespielt, befanden die Richter. Es bleibe also beim privaten Anschauen von Film- oder Fernsehproduktionen. Zugleich betonte das Berufungsgericht, dass bei der kurzfristigen Speicherung von Daten in einem Cache oder anderen Netzwerkpuffer nicht von einer "Kopie" im Sinne des Copyrights gesprochen werden könne. Dafür müsse eine Werk vielmehr "ausreichend dauerhaft oder stabil" vorgehalten werden, sodass es nicht nur für eine kurze Übergangszeit reproduziert werden könne.
Bürgerrechtsorganisationen wie die Electronic Frontier Foundation (EFF) sprechen angesichts des Richtspruchs von einer historischen Entscheidung. Sie vergleichen den Beschluss mit dem "Betamax-Urteil" von 1984 zugunsten von Sony. Darin unterstrich der US Supreme Court, dass ein Produzent eines auch zum illegalen Kopieren einsetzbaren Geräts nicht das Copyright verletzt, solange der Apparat hauptsächlich rechtmäßigen Vervielfältigungszwecken dient. Die EFF hatte zuvor in einer Eingabe an das Berufungsgericht erläutert, dass nach wie vor auch bei einem Online-TV-Recorder die Person, die letztlich den Aufnahmeknopf drückt, die Aufzeichnung veranlasst. Daher sei es nicht entscheidend, ob die Daten dann im Netzwerk oder lokal beim Zuschauer gespeichert würden. Die Entscheidung gibt den Aktivisten zufolge auch Anbietern von Diensten rund ums "Cloud Computing" Rechtssicherheit, bei denen die Intelligenz und Verarbeitungskapazität ins Netz verlagert wird.
Tom Rutledge, Chief Operating Officer von Cablevision, sprach von einem "gewaltigen Sieg für die Verbraucher". Das Urteil erlaube es seinem Konzern, TV-Aufzeichungsservices mehr Leuten rascher und günstiger zur Verfügung zu stellen. Andere große Telcos und Internetprovider wie Verizon wollen sich dagegen noch nicht festlegen, ob sie künftig ebenfalls vergleichbare Angebote wie das "Remote Storage"-System vermarkten wollen. Die Motion Picture Association of America (MPAA) will das Urteil unterdessen zunächst genauso detailliert prüfen wie weitere rechtliche Optionen etwa vor dem Obersten US-Gerichtshof. "Wir werden weiterhin alle Schritte unternehmen, die wir für nötig erachten für den Rechtsschutz unserer Inhalte", heißt es bei der Lobbyvereinigung der Filmindustrie.
Rechtsstreitigkeiten um Online-TV-Recorder sind auch hierzulande entbrannt. So bestätigte das Oberlandesgericht Dresden im Januar 2007 ein Aufzeichnungsverbot der Vorinstanz für das über Internet verfügbare Shift TV. Die ProSiebenSat.1-Gruppe sah ihre Urheberrechte durch den Dienst verletzt und war vor Gericht gegangen. Dieses befand, dass es sich bei Shift TV um eine unautorisierte Vervielfältigung handele. Der Shift-TV-Betreiber, die Netlantic GmbH, hat gegen das Urteil einen bislang noch nicht entschiedenen Widerspruch beim Bundesgerichtshof eingelegt. (Stefan Krempl) / (jk)