Wahl der schlimmsten EU-Lobbyisten gestartet

Heiße Anwärter auf den "Worst EU Lobbying Award" und die parallel vergebene Auszeichnung für den größten Interessenskonflikt in Brüssel sind in diesem Jahr Lobby- und PR-Agenturen sowie Abgeordnete und EU-Beamte.

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Heiße Anwärter auf den Worst EU Lobbying Award und die parallel vergebene Auszeichnung für den größten Interessenskonflikt in Brüssel sind in diesem Jahr Lobby- und PR-Agenturen sowie EU-Abgeordnete und Vertreter der EU-Kommission. Nach der Nominierungsphase können Internetnutzer vom heutigen Montag an bis zum 30. November über besonders irreführende, manipulative und unethische Taktiken bei der Politikbeeinflussung einerseits sowie die am stärksten befangenen Entscheidungsträger auf der anderen Seite online abstimmen. In beiden Kategorien stehen je fünf Kandidaten zur Wahl.

Zu den Aspiranten für den Hauptpreis gehören wie im vergangenen Jahr, als deutsche Autobauer die Negativauszeichnung abräumten, falsche Fürsprecher einer CO2-Reduzierung. Diesmal ist die International Air Transport Association (IATA) im Rennen für ihr Werben bei EU-Politikern, Vorschriften zur Vermeidung der Umweltschadstoffe im Luftfahrtsektor zu vermeiden. Nominiert ist zudem im Verkehrssektor die Agrosprit-Lobby für ihre Bemühungen, Biotreibstoffe "grün" zu färben. Die European Alliance for Access to Safe Medicine (EAASM) steht mit am Pranger, da sie die Beteiligung großer Pharmakonzerne an ihrer Öffentlichkeitsarbeit verschwiegen haben soll. Auf der Liste finden sich weiter die Brüsseler Agenturen Gplus und Aspect Consulting, die den Veranstaltern zufolge Kriegspropaganda im jüngsten Konflikt zwischen Russland und Georgien verbreitet haben sollen. Nicht zuletzt ist das European Business & Parliament Scheme (EBPS) am Start. Dessen Mitarbeiter sollen Lobbyarbeit direkt aus dem Gebäude des EU-Parlaments betreiben.

Für den diesjährigen Sonderpreis in Form des "Worst Conflict of Interest Award" haben Surfer unter anderem die Volksvertreter Caroline Jackson, Piia-Noora Kauppi und Klaus-Heiner Lehne aufgestellt. Letzterer ist aufgrund seiner ausgemachten Doppelrolle als Parlamentarier und Anwalt für Wettbewerbs- sowie Regulierungsfragen in Brüssel dabei. Der aus dem Streit um die Softwarepatent-Richtlinie bekannte CDU-Abgeordnete soll auch anderen Juristen "Lobbyarbeit im Dunkeln" ermöglicht haben. Seine finnische Fraktionskollegin Kauppi muss sich anhören, ihre Funktion als Volksvertreterin zum Eintreten für ihren künftigen Arbeitgeber in Form einer Banken-Lobby missbraucht zu haben. Die ebenfalls den Konservativen angehörende Britin Jackson ist nominiert für die Doppelrolle, die sie als Expertin für Umweltfragen im Parlament und als Beraterin der Abfallentsorgungsfirma Shanks gespielt haben soll.

Dazu kommen in der zweiten Gruppe drei Kommissionsbeamte, die wegen "eines fliegenden Wechsels zu Anwaltskanzleien" mit eigenen Abteilungen für Lobbyarbeit in die Schusslinie geraten sind. Darüber hinaus hat Fritz-Harald Wenig Chancen auf eine Auszeichnung. Der Mitarbeiter in der Generaldirektion Handel wird beschuldigt, Insider-Informationen über Zölle an investigative Journalisten weitergegeben zu haben, die sich als Lobbyisten tarnten.

Die zum vierten Mal ausgelobten Preise sollen einige der umstrittenen Praktiken der vielen tausend Lobbyisten ins Rampenlicht rücken, die sich an den Schaltstellen der politischen Macht in Brüssel eingenistet haben. Zugleich zeigen sie den Organisatoren nach auf, dass die europäischen Institutionen ihre eigenen Häuser in Ordnung bringen und schärfere ethische Regeln erlassen müssen. Die für den 9. Dezember in der belgischen Hauptstadt angesetzte feierliche Verleihung erfolgt dieses Jahr auch vor dem Hintergrund des kritisch beäugten Versuchs der Kommission, mit einem rein freiwilligen Online-Register Lobby-Aktivitäten zumindest bekannt zu machen. Ausrichter sind die zivilgesellschaftlichen Organisationen Corporate Europe Observatory und Friends of the Earth Europe sowie die Watchblogs LobbyControl und Spinwatch. (Stefan Krempl) / (pmz)