Wiener Linien: Zwischen BeschnĂĽffelung und Naziparolen
Einem Bericht der Wiener Zeitung zufolge hat der Betreiber des Großteils des öffentlichen Personennahverkehrs in Wien schon lange vor einer Genehmigung Videoaufzeichnungen durchgeführt - und setzt diese nun auch gegen eigene Mitarbeiter ein.
Die Wiener Linien, Betreiber des Großteils des öffentlichen Personennahverkehrs der österreichischen Hauptstadt, stecken in einer PR-Krise. Zunächst waren Unregelmäßigkeiten bei der umstrittenen Videoüberwachung von Fahrgästen (samt Aufzeichnung) bekannt geworden. Dann hatte sich ein Straßenbahnfahrer am Vorabend des österreichischen Nationalfeiertags von seinen Fahrgästen mit "Sieg Heil" verabschiedet. Und nun gibt es erneut schwere Vorwürfe im Zusammenhang mit der Videoüberwachung.
Wie die Wiener Zeitung berichtet, haben die Wiener Linien offenbar schon lange vor einer entsprechenden Genehmigung durch die österreichische Datenschutzkommission Videoaufzeichnungen durchgeführt. Und sie verwenden diese Daten auch gegen die eigenen Mitarbeiter, was nicht zulässig ist. Die Wiener Zeitung berichtet über ein Verfahren vor dem Arbeitsgericht, bei dem sich ein U-Bahn-Chauffeur erfolgreich gegen seine Entlassung gewehrt hat. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, da die Wiener Linien Rechtsmittel eingelegt haben.
Der Mitarbeiter soll im Juni 2006 einen alkoholisierten Fahrgast angespuckt haben. Dies soll auf Video festgehalten worden sein. Dieses Video haben sich Zeugenaussagen zufolge eine Personalreferentin, der Referatsleiter U-Bahn und ein dritter Mitarbeiter angesehen. Das Video selbst konnten die Wiener Linien in dem Prozess nicht vorlegen.
Laut Auflagen der Datenschutzkommission für den noch laufenden Probebetrieb der Videoüberwachung dürfen aber nur zwei ausdrücklich befugte Mitarbeiter die Videos sichten. Die im Prozess befragten Zeugen hätten keinen Zugriff darauf haben dürfen. Darüber hinaus dürfen die Videoaufnahmen nur zum Schutz des Eigentums sowie von Fahrgästen und Mitarbeitern herangezogen, nicht aber gegen die eigenen Mitarbeiter verwendet werden. Vor allem aber erteilte die Datenschutzkommission ihre Genehmigung für den Probebetrieb der Videoaufzeichnung erst im März 2007, also neun Monate nach dem Vorfall. Vor Gericht bezeichnete der Referatsleiter die erfolgten Aufzeichnungen als "Probebetrieb" des Probebetriebs. Den Wiener Linien droht nun eine Geldstrafe wegen Verletzung von Datenschutzbestimmungen. Pikantes Detail am Rande: Die Personalreferentin ist gleichzeitig Datenschutzbeauftragte der Firma.
Mitte Oktober waren bereits andere mögliche Datenschutzprobleme im Zusammenhang mit der Videoüberwachung der Wiener Linien publik geworden. Gleich mehrere Bestimmungen sollen die Verkehrsbetriebe demnach verletzt haben: Die Aufnahmen sollen nicht verschlüsselt worden sein, sie sollen über ein Netzwerk von außen zugänglich gewesen sein, die Speicherdauer von 48 Stunden (inzwischen von der Datenschutzkommission auf 120 Stunden erhöht) soll überschritten worden sein, und nicht befugte Personen sollen die Aufnahmen gesichtet haben.
In einem anonymen Posting reagierte ein angeblicher Mitarbeiter der Wiener Linien auf einen der Medienberichte. Danach sei es nicht nur einmal vorgekommen, dass "unterhaltsame" Aufnahmen, etwa von Handgreiflichkeiten unter Fahrgästen oder von angeheiterten Personen unter den Mitarbeitern des Unternehmens der Wiener Stadtwerke die Runde machten. Österreichische Datenschützer zeigten sich unterdessen wenig erstaunt. Sie hatten mit Missbräuchen der Videoüberwachung gerechnet. (Daniel AJ Sokolov) / (pmz)