Wikipedia-Community stimmt über Lizenzwechsel ab
Die Abstimmung über den Wechsel zur Creative-Commons-Lizenz BY-SA ("Namensnennung, Weitergabe unter gleichen Bedingungen") ist eine der wichtigsten Richtungsentscheidungen in der Geschichte der Wikimedia Foundation.
Die Wikipedia-Community hat mit der Abstimmung über den Wechsel zu einer Creative-Commons-Lizenz begonnen. Die Einführung der Lizenz CC-BY-SA ("Attribution, Share Alike" bzw. "Namensnennung, Weitergabe unter gleichen Bedingungen") soll die Weiternutzung von Inhalten der Wikipedia und ihrer Schwesterprojekte erleichtern und die Integration anderer freier Inhalte ermöglichen, auch bestehende Inhalte sollen neu lizenziert werden.
Die Abstimmung dauert noch bis zum 3. Mai. Teilnehmen können alle registrierten Wikipedia-Autoren, die bis Mitte März 25 Bearbeitungen vorgenommen hatten. Diese Grenze wurde festgelegt, um dem Missbrauch der Abstimmung vorzubeugen, sie liegt jedoch erheblich niedriger als bei vorangegangenen Abstimmungen zur Besetzung von Posten im Vorstand der Wikimedia Foundation. Das Ergebnis der Abstimmung ist nicht verbindlich – erst der Stiftungsvorstand wird nach der Bekanntgabe der Ergebnisse entscheiden, ob die Entscheidungsvorlage in Kraft gesetzt werden soll oder überarbeitet werden muss.
Die Abstimmung ist eine der wichtigsten Richtungsentscheidungen in der Geschichte der Wikimedia Foundation. Als die Wikipedia im Jahr 2001 gegründet wurde, gab es noch keine Creative-Commons-Lizenzen. Stattdessen wurde die Wikipedia unter die GNU Free Documentation License (GFDL) gestellt, die eigentlich zur Verbreitung freier Software-Dokumentation bestimmt war. In der Folge gab es zahlreiche Probleme bei der Weiterverwendung der Inhalte. So sahen die Lizenzbedingungen zum Beispiel den Abdruck des kompletten Lizenztextes vor – eine Weiterverbreitung einzelner Wikipedia-Artikel war damit in Printprodukten unpraktikabel. Auch die erforderliche Benennung der Haupt-Autoren stellte bei Wikipedia-Artikeln mit Hunderten Bearbeitungen ein großes Problem dar. Weiteres Problem war die Integration von Bildern unter Creative-Commons-Lizenzen, da die beiden Lizenzen zueinander nicht kompatibel waren.
Bereits seit Jahren hatte Wikimedia-Gründer Jimmy Wales den Wechsel zu einer Creative-Commons-Lizenz angeregt, im Dezember 2007 beschloss der Vorstand der gemeinnützigen Stiftung den Wechsel. Da die Wikimedia Foundation selbst aber keine Rechte an den Inhalten der Wikipedia und anderer Projekte halten, musste erst die Free Software Foundation (FSF) den Plänen zustimmen. Im Dezember veröffentlichte die Organisation eine eine neue Version der GFDL. "Diese gestattet explizit die Lizenzierung von Inhalten in wiki-artigen Gemeinschaftsprojekten unter CC-BY-SA", erklärt Wikimedia-Vize Erik Möller, der den Lizenzwechsel organisiert. Diese Lizenz erlaubt wie die GFDL die kommerzielle Weiternutzung der Inhalte und verlangt eine Weiterverbreitung der Inhalte zu gleichen Bedingungen.
Nach Auffassung der Wikimedia Foundation ist es nicht nötig, dass jeder Autor dem Lizenzwechsel zustimmt: "In unseren Augen haben sie das bereits, da sie einer Lizenzierung unter GFDL zugestimmt haben, die ausdrücklich auch die Herausgabe veränderter Versionen der GFDL erlaubt, welche im Geiste der bisherigen Version stehen", erklärt Möller auf Anfrage von heise online. Nach dem vorliegenden Vorschlag werden bereits bestehende Wikipedia-Inhalte zukünftig unter den beiden Lizenzen GFDL und CC-BY-SA stehen, neu hinzugefügte Inhalte jedoch ausschließlich unter der Creative-Commons-Lizenz. Ausgenommen sind Bilder, die nur unter GFDL 1.2 mit Ausschluss späterer Versionen hochgeladen wurden. Sie werden wahrscheinlich von den Projektseiten gelöscht werden. "Die Richtlinien für Drittnutzer werden im Zuge der Lizenzänderung, wenn sie denn stattfindet, standardisiert. Nach den vorgeschlagenen Nutzungsbedingungen ist für die Autoren-Nennung in jedem Medium ein aktiver Link – wenn möglich – oder eine URL auf den Original-Artikel mit Versionsgeschichte die Mindestvoraussetzung", sagt Möller.
Obwohl ein Lizenzwechsel in der Community fast durchgängig unterstützt wird, sind nicht alle Wikipedia-Nutzer mit den Vorschlägen der Wikimedia Foundation zufrieden. So bezweifeln Kritiker die Rechtmäßigkeit einiger Klauseln. Ein Problem ist die korrekte Auszeichnung der CC-lizenzierten Inhalte Dritter: So legen viele Ersteller freier Inhalte wert auf die Nennung ihres Namens bei jeder Veröffentlichung – innerhalb der Wikipedia werden Fotografen aber lediglich über die Verlinkung einer Bildbeschreibungsseite gewürdigt. Wenn Dritte Wikipedia-Artikel weiterverbreiten, befürchten die Kritiker, ist der Autorenvermerk aber nur über Umwege nachlesbar. Zudem sei nicht sichergestellt, dass die Wikimedia immer online sei. Möller plädiert in der Diskussion für eine bessere Auszeichnung der Rechteinhaber innerhalb der Wikipedia-Artikel.
Die korrekte Anwendung der Wikipedia-Lizenzbedingungen ist derzeit auch Gegenstand eines Rechtsstreits in Deutschland. Der Internet-Aktivist Alvar Freude wurde Anfang April abgemahnt, weil er Bilder aus der Wikipedia lizenzwidrig weiterverbreitet haben soll. Freude bestreitet die Vorwürfe. (Torsten Kleinz) / (jk)