"Zuckerbrot und Peitsche" für Tauschbörsen-Nutzer

Obwohl der Verband der US-amerikanischen Musikindustrie seit langem vor Klagen gewarnt hat, sind viele Betroffene entsetzt.

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Von
  • Thomas Müller
  • dpa

Die Recording Industry Association of America hat im Kampf gegen den illegalen Tausch von Songs im Internet nach monatelangen Drohungen Ernst gemacht. Sie reichte gestern gegen 261 Personen Klagen ein. Beobachter erwarteten, dass hunderte oder gar tausende weitere Klagen folgen könnten. Obwohl der Verband der US-amerikanischen Musikindustrie seit langem vor einem solchen Schritt gewarnt hatte, reagierten viele Betroffene entsetzt.

"Das kann doch nicht wahr sein", sagte Dan Murphy aus Kalifornien der Zeitung USA Today, dessen beide Kinder nach Angaben des Verbandes 650 Songs über das Internet ausgetauscht hatten. "Vielleicht hätte ich das Ganze etwas ernster nehmen sollen", meinte Murphy. Laut Klageschrift droht ihm nun als Verantwortlichem eine Strafe von 750 bis 150.000 US-Dollar (673 bis 135.000 Euro) pro Song. Allerdings hat der Verband bereits Bereitschaft zu einer "gütlichen Einigung" angedeutet.

Auch kündigte der Verband eine -- unter Beobachtern umstrittene -- Amnestie für alle "bekennenden Sünder" an. Wer sich schriftlich verpflichtet, künftig keine Musik mehr über Internet-Börsen wie Morpheus oder Kazaa zu tauschen, entgeht der Strafverfolgung. Beobachter sprachen bereits von einer "Zuckerbrot-und-Peitsche-Methode" des mächtigen Verbandes.

RIAA-Präsident Cary Sherman erklärte, die Klagen seien vor allem gegen "die größeren Fische" eingereicht worden, die über 1000 urheberrechtlich geschützte Lieder über das Internet verbreitet hätten. Doch auch wenn der Verband die Namen der Verklagten bisher nicht bekannt gab, so zeigen Recherchen von US-Medien doch, dass auch "kleinere Fische" ins Netz gingen. Der Verband hatte die Internetprovider zuvor gezwungen, die Namen der Musik-Tauscher zu nennen.

Nach einer Risikoabschätzung des Newsdienstes Cnet müssen sich die meisten Musikfans keine Gedanken machen. Zum einen sei bei 60 Millionen Nutzern von Tauschbörsen die Chance ziemlich gering, von der Musikindustrie erfasst zu werden. Zum anderen bestehe keine Gefahr, solange die Zahl der getauschten Songs nicht in die Tausende gehe. Doch die Klagen der Industrie zeigen in den USA bereits Wirkungen. Vor allem Universitäten und Colleges, die den Studenten Internetanschlüsse zur Verfügung stellen, fürchten sich vor Klagen.

Nach einer Studie des Forrester-Instituts entgingen der US-Musikindustrie durch Copyright-Verletzungen im vergangenen Jahr 700 Millionen Dollar (630,6 Millionen Euro) an Einnahmen. Demnach hat etwa die Hälfte aller US-Amerikaner im Alter zwischen 12 und 22 Jahren bereits Songs aus dem Internet heruntergeladen. Die meisten erklärten in einer Umfrage, sie würden damit aufhören, wenn sie eine Klage fürchten müssten. (Thomas Müller, dpa) / (anw)