Virtuelle Figuren sollen das Web "persönlicher" machen

"Jeder User wird eine Truppe von Cyberwesen zur Verfügung haben, die ihm die Recherchearbeit im Dickicht des Netzes abnimmt."

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Von
  • Miriam Tang
  • dpa

Er hat breite Schultern, gepflegte Hände, und die Krawatte sitzt perfekt. Auch wenn die Augen nervös hin und her rollen – seit vergangener Woche präsentiert der digitale Sprecher J.P. Partourt die Finanznachrichten des Wirtschaftsportals www.vwd.de im Viertel-Stunden-Takt wie ein Profi. Der Nachrichtenmann gehört zu der Spezies der Avatare, die zunehmend das Netz bevölkern und teilweise auch bereits auf Werbeplakaten und im Fernsehen gesichtet wurden. Die dreidimensionalen Figuren sollen das Netz lebendiger und service-orientierter machen.

"Jeder User wird eine Truppe von Cyberwesen zur Verfügung haben, die ihm die Recherchearbeit im Dickicht des Netzes abnimmt", prognostiziert der Trendforscher Matthias Horx in seiner Studie "Die Zukunft des Internets". Horx geht davon aus, dass an Stelle Tausender Themen-Portale in Zukunft individuell auf den Nutzer zugeschnittene "Ich-Portale" entstehen werden.

So weit ist die Technologie aber noch nicht ausgereift, wenn auch Avatare bereits mehr können als nur Nachrichten vorlesen. So beantwortet der Berater Liam zum Beispiel Fragen rund um den Aufbau der Firmenwebseite und die Produkte des Elektronikunternehmens Loewe. Wird er beschimpft, schlägt er beleidigt die Augen nieder. Charmant tritt die virtuelle Beraterin der Deutschen Bank, Cor@, auf. Die elegante Blondine gibt zwar Einzelheiten über ihre Hobbys preis, bleibt dennoch stets kühl distanziert. Die Avatare, die nach den im hinduistischen Glauben von Gott auf die Erde entsandten Wesen benannt sind, treten nicht nur in Menschengestalt auf. So navigiert unter www.genie.de die Fantasiefigur Baby Fred den Nutzer durch die Seiten.

Die virtuellen Wesen würden als zusätzliches Marketinginstrument eingesetzt, sagt Kai Bühler, Vorstandsvorsitzender der Kölner Firma plan_b media, die auch den vwd-Nachrichtensprecher und Baby Fred kreierte. "Kunden werden dadurch emotional angesprochen", glaubt Bühler. Manche Webseite habe durch den Einsatz der virtuellen Helfer ihre Klickraten enorm erhöht. Baby Fred erreiche gar Kult-Status. Fans riefen an, um Baby-Fred-Sticker zu bekommen.

Das Internet wird aber nicht die einzige Domäne der virtuellen 3-D-Wesen bleiben, meint Alexandra Fuzinski, Geschäftsführerin der Kölner v*sta new media. Populärstes Beispiel ist die Kunstfigur Lara Croft, die als moderne Amazone in Tomb Raider Berühmtheit erlangte. "Jetzt ist sie auf der Leinwand zu sehen", sagte die Expertin für Agenten-Technologie. So seien auch Avatare in einer Fernsehshow einsetzbar und könnten nach der Sendung den Zuschauern weitere Fragen auf der Webseite beantworten. In englischen TV-Testsendungen wandelt bereits der Avatar Simon den Redefluss in Gebärdensprache um. Fuzinski geht davon aus, Avatare in Zukunft als Verkäufer im Kaufhaus oder als Sympathieträger auf Verpackungen zu sehen. (Miriam Tang, dpa)/ (cp)