Konvention gegen Cyberkriminalität schießt über das Ziel hinaus

Bürgerrechtsorganisationen kritisieren die vom Abkommen des Europarats vorgesehenen Erweiterungen der Überwachungsmöglichkeiten.

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Von
  • Florian Rötzer

Bis Ende des Jahres will die dafür zuständige Expertengruppe des Europarats den Text der Konvention gegen Cyberkriminalität unterschriftsreif fertiggestellt haben. Wenn er von den Ministern gebilligt wird, könnte die Konvention bereits im nächsten Jahr in Kraft treten. Die Übereinkunft soll ähnliche internationale Vorhaben im Rahmen der G8-Staaten, der OECD oder der UN ergänzen und gewährleisten, dass die Gesellschaft vor Cyberkriminalität durch eine angeglichene Gesetzgebung mit einem "gemeinsamen strafrechtlichen Mindeststandard" und internationale Kooperation für "effektive und rasche strafrechtliche Ermittlungen" geschützt wird.

Neben den Ländern, die dem Europarat angehören, wollen auch die USA, Kanada, Japan und Südafrika der Konvention beitreten. Unter Cyberkriminalität werden in der Konvention die Tatbestände illegaler Zugriff auf Daten oder Computersysteme, illegales Abhören, Verändern von Daten, Störung von Systemen und illegale Mittel verstanden. Strafbar sollen auch der Betrug durch Manipulation von Daten, die Fälschung von Daten, Herstellung, Verbreitung und Besitz von Kinderpornographie und Verletzungen des Urheberrechts sein. Sicherheitskräfte müssen einen rechtsmäßigen Zugang zu Daten haben, die in Computern gespeichert sind. Die Möglichkeit des Abhörens muss gewährleistet sein, die Provider müssen verpflichtet werden, mit technischen Mitteln die "Inhaltsdaten von bestimmten Kommunikationen, die vermittels eines Computersystems übertragen werden" zu speichern und ein Abhören in Echtzeit zu ermöglichen oder mit den zuständigen Behörden zu diesen Zwecken zusammen zu arbeiten.

Bürgerrechtsorganisationen aus den USA, Australien, Kanada, Südafrika und Europa kritisieren in ihrem Brief, dass die Konvention den "etablierten Normen zum Schutz des Einzelnen" widerspricht, die "Befugnis der Polizei der nationalen Regierungen unangemessen" erweitert, die "Entwicklung von Sicherheitstechniken für Netzwerke" behindert und die "Verantwortung der Regierung bei künftiger Strafverfolgung" herabsetzt. Besonders wendet man sich gegen die Verpflichtung der Internetprovider, die Nutzungsdaten ihrer Kunden speichern zu müssen. Das gefährde die Privatsphäre und die Menschenrechte der Internetnutzer und verstoße gegen die EU-Datenschutzrichtlinie. Gewarnt wird davor, dass solche Informationen über die Kommunikation in der Vergangenheit verwendet worden seien, "um Dissidenten zu identifizieren und Minderheiten zu verfolgen". Unterzeichnet wurde der offene Brief den Europarat u.a. von American Civil Liberties Union, Center for Democracy and Technology, Computer Professional for Social Responsibility, Cyber-Rights & Cyber-Liberties, Electronic Frontier Foundation, FITUG, Internet Society oder Privacy International.

Mehr in Telepolis: Kritik an der Konvention gegen Cyberkriminalität des Europarats. Siehe auch: Europarat bereitet Cybercrime-Konvention vor und Bundesregierung nimmt Stellung zu Cybercrime-Abkommen. (fr)