Digitalisierte Kunst -- ganz ohne DRM

Die Londoner Nationalgalerie bietet digitale Drucke aller ihrer Kunstwerke online zum Verkauf. Vertreter der Unterhaltungsindustrie echauffieren sich darüber, dass das Museum die Bilder nicht per DRM verriegelt.

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Lesezeit: 2 Min.
Von
  • Gerald Himmelein

Seit acht Jahren arbeitet die Londoner Nationalgalerie an einem ambitionierten Projekt: der Digitalisierung aller Kunstwerke in ihrem Besitz. In Zusammenarbeit mit Hewlett-Packard wurden 2300 Bilder mit einer Auflösung von 100 Megapixel aufgenommen. Da wirken die Top-Auflösungen von DigiCams für den Massenmarkt mit 6 Megapixel vergleichsweise schlapp.

Die digitalen Daten dienen der National Gallery als Grundlage für hochauflösende Drucke, die interessierte Kunstliebhaber über den Online-Shop des Museums bestellen können. Die hochauflösenden Sechsfarbendrucke messen zwischen DIN A4 und A2 und kosten zwischen 28 und 35 Euro. Mit den On-Demand-Drucken will das Museum seinen Unterhalt finanzieren.

Eigentlich eine feine Sache. Ein Artikel des renommierten Wissenschaftsmagazins New Scientist hebt jedoch hervor, dass die National Gallery nichts gegen eine unerlaubte Vervielfältigung durch Dritte unternehme. Das Museum schützt weder die Quelldaten noch die Drucke mit digitalen Wasserzeichen oder sonstigen Sicherheitsverfahren -- und sieht dafür auch gar keinen Grund.

Der Autor des Artikels sieht die Gemäldesammlung der National Gallery jedoch derselben Gefahr ausgesetzt wie die Stücke der Musikindustrie: der unbegrenzten digitalen Vervielfältigung. Zur Untermauerung der Befürchtung holte er die Meinungen des Vorsitzenden des Interessenvereins der Plattenindustrie IFPI (International Federation of the Phonographic Industry) und den britischen Ex-Chef von Polygram ein. Deren Antworten fielen erwartungsgemäß aus: Beide wünschten sich, bei der Einführung der Audio-CD mehr auf den Kopierschutz geachtet zu haben: "Die Plattenfirmen hätten täglich an Piraterie denken sollen. Heute sollten das die Vorsitzenden der Filmstudios tun und auch die Chefs der Kunstindustrie." Was allerdings die Problematik von Kopien urhebergeschützter aktueller Musikstücke mit jahrhundertalten Kunstwerken zu tun haben, deren Urheber längst verstorben sind, bleibt dabei offen.

Siehe dazu auch in Telepolis: (ghi)

  • Technisch reproduzierbar: Das Kunstwerk -- In einem wohl bislang einmaligen Marketingexperiment digitalisiert die Londoner National Gallery ihre komplette Gemäldesammlung, um Kunden ihr Lieblingsbild in beliebigen Formaten ausdrucken lassen.