Auskunftsrecht gegenüber Providern bei Urheberrechtsverstößen?

Die Telekommunikationsbranche beklagt steigende Überwachungskosten, die Medienindustrie Verluste durch Raubkopien. Bundesjustizministerin Zypries nennt die rechtspolitischen Fragen.

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Von
  • Monika Ermert

Wenn der Staat mehr und mehr Überwachungsaufgaben auf Telekommunikationsunternehmen verlagert, muss über eine "adäquate Beteiligung des Staates an den dadurch entstehenden Kosten" gesprochen werden. Das forderte der Vorstandsvorsitzende der Alcatel SEL AG, Andreas Bernhard, bei der Verleihung des diesjährigen Forschungspreises der Alcatel Stiftung für Kommunikationsforschung gestern in Stuttgart. Nach drei Jahren dramatischer Einbrüche in den Telekommunikationsmärkten brauche die Branche klare Rahmenbedingungen dazu, sagte Bernhard gegenüber Bundesjustizministerin Brigitte Zypries.

Die Bundesjustizministerin nannte in ihrem Vortrag anlässlich der Preisverleihung die Kernfragen der anstehenden zweiten Runde zum Urheberrecht. Auch darin stecke, so Zypries, rechtspolitisch noch viel Musik. Zum Beispiel denke man in der Tat darüber nach, "ob einzelne Rechteinhaber künftig von Providern Auskunft darüber erhalten können, wer sich hinter einer bestimmten Adresse verbirgt und Rechtsverletzungen begeht." Derzeit können nur Strafverfolgungsbehörden solche Auskünfte erhalten. Derartige Auskunftsansprüche seien ein sensibles datenschutzrechtliches und damit auch politisch heikles Thema, sagte Zypries. Die Ministerin hat zur Klärung dieser und anderer anstehender Fragen für den so genannten "zweiten Korb" der Urheberrechtsnovelle kürzlich eine Expertenkommission eingesetzt.

Die vielleicht wichtigste Frage, mit der sich die rund zwei Dutzend Experten befassen müssen, ist die nach einer Ablösung des Pauschalvergütungsrechtes für digitale Werke. "Wir stehen also vor der Frage, ob unser Prinzip der Vergütung der digitalen Privatkopie über eine pauschale Abgabe auf Kopiergeräte und Leermedien beibehalten werden kann oder ob wir dieses System durch eine Individualabrechnung ablösen sollen," sagte Zypries. Ein sofortiger Umstieg auf individuelle Abrechnungen per Digital Rights Management (DRM) sei aber schon deshalb nicht möglich, weil vorhandene Werke nach dem bisherigen Verfahren weiterhin vergütet werden müssten. "Und man wird wohl auch nicht jedermann zwingen können, entweder seine Inhalte zu verschlüsseln oder auf sein Eigentum zu verzichten," so Zypries. Sie bedauerte, dass der europäische Gesetzgeber in diesen Fragen vor einer Regelung zurückgeschreckt sei.

Bei einem Umstieg im Vergütungssystem stellt sich faktisch auch die Frage nach der Privatkopie noch einmal neu. Der von Zypries angeführte Grundsatz "Was wir schützen können, schützen wir, was wir nicht schützen können, dafür kassieren wir", würde durch ein System von Individuallizenzen obsolet. Die Musikindustrie hat bereits beim Auftakt zur Debatte um den zweiten Korb im September erklärt, dass digitale Privatkopien generell abgeschafft werden müssen.

Zypries nannte die Durchsetzung der Schrankenregelungen gegenüber per DRM geschützten Werken allerdings ebenfalls ein wichtiges Anliegen im zweiten Korb. Verbraucherschützer drängten darauf, dass Verbraucher Kopien technisch geschützter Werke für den Privatgebrauch erhalten. Auch die Begünstigten der so genannten Schrankenregelungen -- Wissenschaftler oder Schulen -- müssten in der Lage sein, unter Umgehung der technischen Schutzmaßnahmen Werke innerhalb von Forschung und Lehre zugänglich zu machen. Möglicherweise könnte statt einer Schlüsselaushändigung auch ein System genutzt werden, bei dem der Kopierschutz erst nach zwei, drei oder vier Kopiervorgängen wirksam werde.

Auf jeden Fall müsse der Gesetzgeber um eine "Balance zwischen dem Schutz des geistigen Eigentums auf der einen Seite und der Respektierung von Gemeinwohlbelangen auf der anderen Seite" bemüht sein. "Es kann dabei nicht angehen," so Zypries, "dass immer nur der Recht bekommt, der am lautesten schreit." (Monika Ermert)/ (gr)