Beschwerde gegen Telepolis-Artikel abgewiesen

Das Magazin für Netzkultur Telepolis darf im Artikel "Bombenzensur oder 'Kollateralschaden'?" weiterhin ein Bild veröffentlichen, auf dem ein durch Kopfschuss getöteter Junge abgebildet ist.

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Von
  • Holger Bleich

Das Magazin für Netzkultur Telepolis darf im Artikel "Bombenzensur oder 'Kollateralschaden'?" weiterhin ein Bild veröffentlichen, auf dem ein durch Kopfschuss getöteter Junge abgebildet ist. Eine entsprechende Beschwerde gegen die Abbildung im Artikel wies die Freiwillige Selbstkontrolle der Multimedia-Diensteanbieter (FSM) als unbegründet zurück.

Im seinem Text vom 8. April dieses Jahres stellt Telepolis-Chefredakteur Florian Rötzer dar, dass die US-Regierung offensichtlich Bilder von menschlichen Opfern des Irak-Kriegs aus der Berichterstattung zum Fortgang des Kriegs heraushalten wollte. Konkret geht es um Bilder des Senders al-Dschasira von zivilen Opfern der US-amerikanischen Bombenangriffe. In diesem Zusammenhang wird ohne Bildunterschrift der beanstandete Screenshot aus dem al-Dschasira-Programm gezeigt.

Auf die Beschwerde eines Lesers hin hatte die FSM Telepolis am 14. April gebeten, Stellung zur Beschwerde zu beziehen "oder der Beschwerde selbst abzuhelfen, indem Sie das Bild aus dem Angebot nehmen." Chefredakteur Rötzer veröffentlichte daraufhin eine ausführliche Stellungnahme bei Telepolis, in der er die Veröffentlichung des Bildes verteidigte.

In der nun vorliegenden Begründung zur Beschwerderückweisung bestätigte die FSM, dass die Veröffentlichung des Fotos nicht gegen den Verhaltenskodex des Gremiums verstößt. Die Abbildung zeige nicht "die Ausübung, sondern allenfalls das Ergebnis von Gewalt."

Gemäß Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) seien Darstellungen, die die Menschenwürde verletzen, verboten. Eine solche Verletzung könne der FSM aber im vorliegenden Fall nicht bestätigen. Eine Menschenwürdeverletzung liege dann vor, "wenn unter Ausklammerung aller sonstigen menschlichen Bezüge der Mensch zu einem bloßen Objekt herabgewürdigt wird, das vorrangig der Befriedigung voyeuristischer Neigungen der Zuschauer dient." Im Kontext des Artikels, insbesondere der Überschrift, sei dies auszuschließen. Die Abbildung "vermittelt trotz der Darstellung der deformierten Schädeldecke des Kindes keine Botschaft, die den gebotenen Respekt vermissen ließe, durch die der Betroffene verspottet, verhöhnt oder erniedrigt würde oder die ihn in einen lächerlichen oder makabren Kontext stellt", heißt es in der Begründung.

Desweiteren könne sich eine Unzulässigkeit der Darstellung nicht daraus ergeben, dass das Foto den Leser schockiert oder ekelt. "Das erwachsene Publikum hat keinen Anspruch auf ein von den Schrecken des Krieges unbeschwertes Gemüt", argumentiert die FSM. Dieses Leser-Interesse sei nicht geeignet, die verfassungsrechtlich garantierte und damit eindeutig ranghöhere Meinungs- und Pressefreiheit des Beschwerdegegners zu überwiegen.

Nach Meinung der FSM kann das dargestellte Foto jedoch entgegen Rötzers Auffassung sehr wohl im Sinne des JMStV Jugendliche in ihrer Entwicklung beeinträchtigen. Infolge seiner Schockwirkung belaste das Bild bereits Erwachsene. Die Belastung für Kinder und Jugendliche werde dadurch verstärkt, dass sie die im Text zum Ausdruck kommenden Zusammenhänge nicht ohne weiteres nachvollziehen könnten. Die detaillierte Darstellung der entstellten Leiche finde keine Erläuterung durch eine Bildunterschrift oder ähnliche Erklärungen. Kinder und Jugendliche würden mit dem Bild alleine gelassen, woraus sich die Gefahr einer Traumatisierung ergebe. Telepolis habe "mit der Veröffentlichung die Grenzen des von Paragraf 5 Abs. 1 JMStV gezogenen gesetzlichen Rahmens jugendschutzkonformer Berichterstattung übertreten."

Dennoch sei die Veröffentlichung "im Ergebnis zulässig", weil es mit Paragraf 5 Abs. 6 JMStV eine Rechtfertigungsnorm gebe, die unter bestimmten Umständen die Meinungs- und Pressefreiheit höher stelle als den Jugendschutz. Bei dem Telepolis-Artikel handele es sich um ein genuin journalistisches Angebot: "Es besteht kein Zweifel daran, dass er mit der Bebilderung seine Kernaussage unterstreichen wollte. Keinesfalls kann dem Beschwerdegegner unterstellt werden, den Textbeitrag nur deshalb veröffentlicht zu haben, um seinem Auftritt in Sinne eines Feigenblatts der Rechtfertigung für die Einbindung des Fotos einen seriösen Anstrich zu geben, wie dies bei anderen Medien, insbesondere bei der Boulevardpresse, an der Tagesordnung ist." (hob)