ICANN sichert marktbeherrschende Stellung von NSI bei .com

Die neuen Verträge zwischen ICANN und NSI sichern dem Ex-Monpolisten auf lange Sicht eine marktbeherrschende Stellung bei der Registrierung von .com-Domains

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Von
  • Monika Ermert

In einer Telefonkonferenz am heutigen Montagnachmittag entschieden die Direktoren der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) mehrheitlich für einen neuen Vertrag mit NSI/VeriSign Global Registry, der dem .com-, .net- und .org-Anbieter auf unbestimmte Zeit eine marktbeherrschende Stellung sichert. Gegen den Willen der zuständigen ICANN-Gremien und die Stimmen von drei der 19 ICANN-Direktoren (bei einer Enthaltung) erlauben sie damit VeriSign, gleichzeitig als Manager der zentralen Datenbank (Registry) und Domainhändler (Registrar) für die begehrten .com-Adressen aufzutreten. Eine ganze Reihe von VeriSign-Konkurrenten hatten sich im Vorfeld der Entscheidung mit Klagen an die ICANN gewandt, dass VeriSign seine Position zu Gunsten seines eigenen Registrars VeriSign/Network Solutions Inc. (NSI) ausnutze.

Nach der Entscheidung des Names Council (NC), in dem die für Domainfragen zuständigen Fachgruppen vertreten sind, habe er nicht damit gerechnet, dass der Vorstand heute für den neuen Vertrag votieren werde, sagte der von europäischen Nutzern gewählte ICANN-Direktor Andy Müller-Maguhn unmittelbar nach der Sitzung im Gespräch mit heise online. Das NC hatte sich in der vergangenen Woche gegen die neuen Verträge ausgesprochen, da es um einen fairen Wettbewerb im Domaingeschäft fürchtet. Gemäß den bestehenden Verträgen hätte VeriSign sich bis Mitte Mai von seinem Registrargeschäft trennen müssen.

Auf einen nochmaligen Hinweis des kanadischen Direktoriums-Mitglieds Ken Fockler auf die NC-Entscheidung und die Kritik an den neuen Verträgen reagierten laut Müller-Maguhn der Vorsitzende Vint Cerf und CEO Stuart Lynn mit dem Verweis auf weitere Veränderungen des Vertragswerks. So soll VeriSign künftig keine Rabatte mehr für große Kunden bei der Domainregistrierung – also vor allem VeriSign/NSI – einräumen. Auch bei der Wechselgebühr von einem Provider zu einem andern soll es laut Müller-Maguhn Veränderungen geben. Noch stehen sich aber auf ICANNs Webseite die von der Organisation geforderten Veränderungen und die von VeriSign zugestandenen gegenüber; welche ICANN-Forderungen Eingang in den endgültigen Vertragstext gefunden haben, ist noch nicht ersichtlich.

"Ich habe beantragt, dass uns noch etwas Zeit für eine Durchsicht der am Wochenende erneut abgeänderten Verträge zugestanden wird, wir kennen Variante C immerhin erst seit gestern", betonte Müller-Maguhn. Doch habe man über diesen Antrag noch nicht einmal abgestimmt. Vor allem der auch für die Direktoren erzeugte Zeitdruck ärgere ihn besonders, kommentierte Müller-Maguhn. Gemeinsam mit dem spanischen Direktor Amadeu Abril i Abril und dem von nordamerikanischen Nutzern gewählten Karl Auerbach stimmte der CCC-Sprecher gegen den neuen Vertrag. Für ihn sind die wettbewerbsrechtlichen Bedenken keineswegs ausgeräumt.

Beispielweise ließ der Registrierungs-Gigant und Ex-Monopolist nicht mehr aktive Domains über den von ihm aufgekauften Domainhändler GreatDomains verkaufen; ein anderer Registrar kommt hier gar nicht zum Zug. Auch bei der Einführung der nicht-englischen Domains verloren VeriSign/NSI-Konkurrenten an die 150.000 registrierte Domains.

Mit Spannung warten Beobachter nun auf die Reaktion des Department of Commerce, das dem überarbeiteten Vertrag nun ebenfalls zustimmen muss. Das DoC, das nach wie vor die Kontrolle über das DNS-Management hat, hatte im November 1999 den ursprünglichen Vertrag mit den für NSI (vor dem Verkauf an VeriSign) verbundenen Auflagen unterzeichnet. Es könnte unter Hinweis auf den fehlenden ICANN-internen Konsens seine Zustimmung verweigern. ICANN war in den vergangenen Wochen Gegenstand mehrerer Senats- und Kongresshearings. Der republikanische Senator Conrad Burns forderte vergangene Woche gar eine grundsätzliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit des ICANN-Prozesses nach US-amerikanischem Recht.

Auch die EU-Wettbewerbshüter könnten sich nach der VeriSign-Entscheidung wieder auf den Plan gerufen fühlen. Die Kartellwächter der Europäischen Kommission haben bereits 1999 ein Verfahren zur Überprüfung der Sonderrolle von NSI eröffnet.

Unklar ist nach dieser Entscheidung, wie es mit dem .org-Adressraum weitergeht. Zwar haben laut Müller-Maguhn mehrere Direktoren in der heutigen Sitzung eine Umwidmung des Adressbereichs zu rein nichtkommerziellen Zwecken eine Absage erteilt. Entschieden werde darüber aber wohl erst, wenn die .org-Registry 2002 von ICANN neu ausgeschrieben wird. (Monika Ermert) / (jk)