Oekonux -- auf dem Weg in die GPL-Gesellschaft

Unter anderem wurden auf der Konferenz Oekonux Vorschläge diskutiert, wie die Gesellschaft die Entwicklung von Open-Source-Software bezahlen kann.

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Von
  • Detlef Borchers

Mit der Zuversicht, dass alle offenen Fragen weiter diskutiert werden können, endete in Berlin die zweite Oekonux-Konferenz, die vor allem der Selbstverständigung der Teilnehmer der Oekonux-Mailingliste dient. Für den Außenstehenden, der nicht an der Liste beteiligt ist, zerfiel die Konferenz in drei Teile: eine Reihe von Workshops, die sich mit der Theorie einer GPL-Gesellschaft beschäftigten, eine auf Englisch abgehaltene wissenschaftliche Konferenz und eine Reihe von Vorträgen, die sich mit Perspektiven für Programmierer beschäftigten, die quelloffene Software im weitesten Sinne entwickeln.

Bereits am ersten Tag der Konferenz wurden Vorschläge diskutiert, wie die Gesellschaft die Entwicklung von Open-Source-Software bezahlen kann. Im Unterschied zu dem von Hans-Joachim Ehlers vorgetragenen Geschäftsmodell eines General Public Support Agreement (GPSA) machte sich am zweiten Tag Bernhard Reiter von der Free Software Foundation weit reichendere Gedanken über kommerzielle freie Software. Reiter forderte alle Firmen auf, im Sinne von nachhaltiger Ökonomie 1 % des Forschungsbudgets an die Produzenten freier Software zurückzugeben. "Das ist eine Zahlung im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftens, das sich um nachwachsende Programmierressourcen kümmert, keine 'Spende' im herkömmlichen Sinn", betonte Reiter. Da viele große Firmen sich ernsthaft mit dem Problem nachhaltiger Produktionsprozesse beschäftigen, alle aber auch in irgendeiner Form freie Software einsetzen, sei der Vorschlag nicht unrealistisch. Privatpersonen möchte Reiter auffordern, 10 % der Summe zurückzuzahlen, die eine vergleichbare proprietäre Software in der Anschaffung kosten würde.

Unter den Zuhörern stieß Reiters Vorschlag, der nicht die offizielle Position der FSF ist, ebenso wie das GPSA-Modell auf Kritik: Mit Finanzierungsmodellen dieser Art käme Blähware, Software, die keiner wirklich brauche. Das stünde im Widerspruch zur bisherigen schlanken Entwicklung von quelloffener Software, bei der nur programmiert werde, was gebraucht werde. An die Ausführungen von Reiter schlossen sich Diskussionen über Micropayments (etwa das gescheiterte Digicash-System), alternativen Zahlungsweisen (beispielsweise PayPal zur Projektunterstützung) und die Bildung einer Zweitwährung (wie Green Money) an. Eine Ergänzung fand diese Diskussion am dritten Tag, an dem Uwe Müller das Projekt Hostsharing vorstellte, den erfolgreichen Versuch, die Prinzipien der quelloffenen Software auf eine genossenschaftlich organisierte Firma zu übertragen.

Auf der wissenschaftlichen Seite der Konferenz gab es anregende Vorträge über das Peering. Der belgische Soziologe Michel Bauwens versuchte sich am Nachweis, dass Peer-to-Peer eine Chance ist, die Gesellschaft neu zu strukturieren. Der amerikanische Politologe Sheen S. Levine, der das Verhalten von Internet-Nutzern erforscht, erteilte in seinem Vortrag "Altruism in Cyberspace" (eine ältere Fassung ist online) allen Versuchen eine Absage, auf Tauschsystemen für digitale Inhalte ein Geschäft aufzubauen. "Das Internet ist kein E-Marktplatz, was digital ist, wird geteilt, nicht bezahlt." Aus dem Vortrag entwickelte sich unter anderem eine Diskussion über die Ursprünge des Peer-Projektes, die in der Vision eines Ted Nelson (Xanadu) die strikte Beachtung des Copyrights und die Bezahlung jeder noch so kleinen, verlinkten Informationen sehr "kapitalistische" Wurzeln hat.

Das Projekt Oekonux entstand aus der Frage, welche gesellschaftlichen Auswirkungen der Einsatz freier Software hat. Es ist das Verdienst des Projektes, in einer offenen Konferenz Fragen anzugehen, die bei typischen Entwicklertreffen nur am Rande vorkommen. Auf der anderen Seite des Projektes steht die politische Diskussion. Dass beide Richtungen voneinander profitieren können, ist die spannende Antwort auf alle offenen Fragen. (Detlef Borchers) / (jk)