Musiker, Kopierschutz und der P2P-Flaschengeist

Die ungewissen Aussichten der Musikindustrie stehen im Zentrum der Konferenz "Future of Music".

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Von
  • Janko Röttgers

Bereits zum dritten Mal treffen sich in Washington DC Musiker, Anwälte, Politiker, Vertreter der Internet-Wirtschaft und Manager von Plattenfirmen im Rahmen des jährlichen Future of Music Policy Summits. An insgesamt drei Tagen werden sie auf zahlreichen Panels über die Zukunft ihrer Krisen-geplagten Branche diskutieren. Organisiert wird diese Konferenz von der Future of Music Coalition, einer Nonprofit-Organisation, die sich als Interessenvertretung für Musiker in Zeiten der Digitalisierung versteht. Als wichtigen Bestandteil ihrer Arbeit begreift die Gruppe die Weiterbildung von Musikschaffenden in Sachen Internet, Arbeitsrecht und Medienpolitik. 200 Musiker wurden deshalb im Rahmen eines speziellen Stipendiums dazu eingeladen, kostenlos an der Konferenz teilzunehmen. Für die Kosten kommen Sponsoren auf, zu denen auch die Band Pearl Jam gehört.

Der erste Tag der Konferenz stand ganz im Zeichen der Alltagsprobleme von Musikern. Im Rahmen des Eröffnungspanels wurden deshalb unter anderem Copyright-, Marken- und Vertragsrechtsaspekte des Musikgeschäfts erklärt. Die Entertainment-Anwältin Dina LaPolt ermahnte dabei das Publikum, sich aktiv um ihre Rechte zu kümmern. Ein guter Anwalt sei dafür heute fast wichtiger als ein Manager, so LaPolt. Ihr Kollege Whitney Broussard gab Musikern außerdem den Tipp, zuallererst einen Business-Plan zu entwerfen. Derek Sivers wandte dagegen ein, man solle seine Karriere als Musiker nicht wegen rechtlicher Fragen hinauszögern. Sivers ist Gründer des Indie-CD-Vetriebs CDBaby.com und als solcher ein gutes Beispiel dafür, dass man auch ohne Business-Plan in der Musikbranche Erfolg haben kann. Anfangs war die Website nur dafür gedacht, die Musik seiner eigenen Band ohne die Hilfe von Plattenfirmen zu verkaufen. Auf die Bitte von Freunden hin erweiterte und professionalisierte Sivers sein Angebot nach und nach. Mittlerweile hat CDBaby unabhängigen Musikern mehr als eine Millionen US-Dollar eingebracht.

Ein zweites Panel widmete sich den Gesetzesentwürfen, die in diesem Jahr in den USA Einfluss auf die Musikwirtschaft nehmen könnten. Anwalt James Burger erklärte dazu leicht resigniert, die meisten Entwürfe beschäftigten sich auch in diesem Jahr mit Kopierschutz-Technologien, an das Wohl der Musiker denke dagegen kaum jemand. So werden unter anderem die Gesetzesentwürfe des Abgeordneten Howard Berman und des Senators Ernest Hollings bald in leicht veränderter Fassung erneut in den Kongress eingebracht. Berman will Plattenfirmen mit seinem Gesetz die Möglichkeit geben, mit "technischen Selbsthilfemaßnahmen" gegen Tauschbörsen-Nutzer vorzugehen. Kritiker werfen Berman vor, damit Denial-of-Service-Angriffen und anderem Missbrauch Tür und Tor zu öffnen. Hollings plant, per Gesetz Kopierschutz-Technologie für jedes neu produzierte digitale Endgerät durchzusetzen.

Löbliche Ausnahme im Gesetzesreigen bildet ein Entwurf des Senators Russ Feingold, der sich mit der Monopolisierung der US-Radiolandschaft beschäftigt. Die Future of Music Coalition hatte erst kürzlich in einer Studie festgestellt, dass nur zwei Firmen 42 Prozent des US-Radiomarkts kontrollieren. Feingolds Mitarbeiter Tim Raduca-Grace bezeichnete diese Form der Medienkonzentration als eigentlichen Grund für viele andere Probleme der Branche. Wer derartige Macht besitze, könne beispielsweise auch Geld für die Platzierung von Musik in den Programmen seiner Sender verlangen. Diese als Payola bezeichneten Praxis war vielen Teilnehmern im Publikum nur zu gut bekannt. So wusste eine Musikerin zu berichten, ihr habe ein Radiosender deutlich zu verstehen gegeben, ihre Songs nur spielen zu können, wenn sich dies für den Sender lohne.

Ein letztes Panel gab schließlich gestandenen Musikern die Gelegenheit, das Publikum an ihren Erfahrungen teil haben zu lassen. Unter der Leitung des Fugazi-Frontmanns Ian MacKaye berichteten Rock-Legende Patti Smith, Bob Mould (Hüsker Dü) und Vernon Reid (Living Colour) von ihren Erfahrungen mit Verwertungsgesellschaften, Rechtsanwälten und dem ewigen Problem, zu wenig Geld zu haben. Auf Tauschbörsen angesprochen zeigten sich die Rock- und Punk-Veteranen uneins. "Der Geist ist aus der Flasche", meinte Bob Mould pragmatisch. Vernon Reid zeigte sich dagegen als überzeugter Anhänger von Kopierschutz-Techniken. Musiker müssten die Wahl haben, ob ihre Songs im Netz vertrieben würden oder nicht, meinte Reid. Patti Smith gab dagegen zu, sich nicht besonders mit Technologie auszukennen, aber in Tauschbörsen auch kein großes Problem zu sehen. "Es ist mir egal", kommentierte Smith. Schließlich gebe es wichtigere Dinge in der Welt. So habe sie sich sehr darüber gewundert, dass im vergangenen Jahr viele ihrer Kollegen in einer Anzeigenkampagne gegen Filesharing wetterten. Smith dazu: "Warum schalten sie nicht seitenweise Anzeigen, wenn eine Person, die nicht einmal ordentlich gewählt ist, in unserem Namen in den Krieg zieht?" (Janko Röttgers) / (jk)