Prinzipien fĂĽr die Netzregulierung

Das öffentliche Gut Internet ist genauso schutzbedürftig wie die Weltmeere oder die Erdatmosphäre, meint die Bertelsmann Stiftung.

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"Das Internet ist bei einer Größe angekommen, die einige grundsätzliche Regeln erfordert", glaubt Ingrid Hamm, Medienbeauftragte der Bertelsmann Stiftung. Die glauben die Gütersloher zusammen mit einem Gremium von sieben Professoren, Forschern und Leitern von Non-Governmental Organisations (NGOs) aus der EU und den USA nun gefunden zu haben. Am Freitag präsentierte Hamm den 25 Seiten langen Empfehlungskatalog auf der Konferenz Internet Governance – Wer regiert das Internet? in Berlin.

Ausgangspunkt des Papiers ist die Feststellung, dass das Internet ein "globales, öffentliches Gut" ist, das erhebliche gesellschaftliche Relevanz besitzt. Die Autoren betonen in der Präambel, dass das Netz "wegen seiner Bedeutung für kommerzielle und nicht-kommerzielle Zwecke, insbesondere für die globale Kommunikation, besonders schutzbedürftig" sei – so wie die Weltmeere oder die Erdatmosphäre.

Auf dem Fundament dieser Vorüberlegungen hat die Bertelsmann Stiftung zusammen mit ihren Sachverständigen sieben Design-Prinzipien für die Internet-Regulierung aufgestellt. Gefordert wird ein globaler Ansatz, der nicht notwendigerweise von staatlicher Seite ausgehen oder gar institutionalisiert werden müsse (Bottom-up statt Top-down). Die Verfahren sollten zudem verschiedene Interessengruppen berücksichtigen, die Stabilität des Internets gewährleisten, dynamisch und flexibel sowie "absolut transparent" sein, so Hamm. Last, but not least dürften die Mechanismen oder Organisationen nicht überfrachtet werden, sondern müssten mit einem klaren und eindeutigen Mandat ausgestattet sein.

Klassische Ansätze der Medienpolitik stellt das Netz demnach in Frage. "Die Regulierung soll regierungsfern erfolgen", betonte Hamm in ihrem Vortrag. Sonst verlaufe der Prozess zu langsam und sei damit letztlich kontraproduktiv. Mit diesen Forderungen stieß die Stiftung bei Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin allerdings auf wenig Gegenliebe.

Den ersten "Ernstfall" einer supranationalen Regulierungsinstanz für das Internet bildet nach allgemeinem Erachten die ICANN. Ziel der Konstruktion der Netzverwaltung war es, so die Verfasser der Empfehlungen, "Legitimierung durch die dauerhafte und breit angelegte Beteiligung" von Usern, Interessengruppen und Regierungsinstitutionen an den Entscheidungen von ICANN zu erhalten. Obwohl sich das Gremium konkret "nur" um die Kontrolle des Namensraums des Internet kümmert, sieht die Bertelsmann Stiftung in ihm einen – zumindest theoretisch – auch auf andere Regulierungsbereiche anzuwendenden Modellfall: "Die Art und Weise, wie Regulierungs- und Koordinationsaufgaben für das Internet institutionell verankert und auf die Grundlage eines konkreten Regelwerkes gesetzt wurden," heißt es in dem Dokument, sei auf viele "Internet-typische" Probleme wie den Schutz der Privatsphäre oder die Aufrechterhaltung des Informationsflusses im Cyberspace übertragbar.

Doch das Beispiel ICANN zeigt auch auf, wie schnell die Design-Prinzipien im internationalen Kräfteverhältnis zerrieben werden. Auf der Konferenz wurde die in Kalifornien angesiedelte Verwalterin der Namen und Nummern im Netz jedenfalls mit heftiger Kritik überzogen – vor allem aus europäischer Perspektive.

Mehr in Telepolis: Wer regiert das Internet? (Stefan Krempl) / (jk)