Gericht bestätigt erneut Haftung für Gästebücher im Web
Nach Ansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs hatte ein Schüler mit eigenen und geduldeten Einträgen im Gästebuch seiner Homepage die "Grenze des Scherzhaften bei weitem überschritten".
Nach den Urteilen der Landgerichte Trier und Düsseldorf wurde nun die dritte Entscheidung zur Haftung für Gästebucheinträge bekannt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in München (Urteil vom 3. 6. 2002, AZ: 7 CS 02.875; veröffentlicht in: NJW 2002, 3044 f.) hatte darüber zu entscheiden, ob einem Schüler der Schulverweis angedroht werden darf, wenn er im Gästebuch seiner Homepage Drohungen gegen Lehrer und Mitschüler publiziert oder Verbalentgleisungen Dritter in seinem Gästebuch stehen lässt.
Stein des Anstoßes war die Ankündigung, den (ersehnten) Tod eines Mitschülers zum Anlass einer Feier des Abiturjahrgangs machen zu wollen. Neben dieser wenig kollegialen Ankündigung beließ der Abiturient, der auch Schulsprecher war, Bemerkungen, wonach ein Mitschüler eine automatische Waffe vom Typ M4A1 "am Laufen" habe ebenso im Gästebuch wie die zustimmende Feststellung: "He he, mit ner echten M4A1 würd' ich das Direktorium platt machen. Die Stümper hättens mal verdient." Die Schulleitung drohte ihm nach Entdecken dieser und weiterer beanstandeter Passagen die sofortige Entlassung von der Schule an, deren Rechtmäßigkeit erst das Verwaltungsgericht und nun auch der Verwaltungsgerichtshof bestätigten. In einer früheren Entscheidung hatte der VGH München bereits die Entlassung eines Schülers als gerechtfertigt angesehen, der auf seiner Homepage Lehrer und Mitschüler beleidigt und bedroht hatte (AZ: 7 ZS 01.1428).
Nach Ansicht der Münchener Richter hatte der Homepage-Betreiber mit seinen eigenen und mit den von ihm geduldeten Einträgen im Gästebuch die "Grenze des Scherzhaften bei weitem überschritten". Dass einzelne Beiträge mit "dem grafischen Signet eines lachenden Gesichts" -- die juristisch-umständliche Umschreibung für einen "Smiley" -- versehen waren, vermochten die Richter dem Heranwachsenden ebenso wenig zugute halten wie die Tatsache, dass nicht alle anstößigen Eintragungen von ihm selbst stammten. Auch die spätere Entfernung der Homepage aus dem Netz und eine Entschuldigung brachten dem Schüler keine Pluspunkte (mehr) ein. Die Schule habe im Rahmen ihrer pädagogischen Erwägungen deutlich machen dürfen, dass sie im Interesse aller Beteiligten bereits ersten Anzeichen "einer Verletzung der Menschenwürde konsequent und glaubwürdig entgegentrete und auch generalpräventiv wirke".
Nicht gesondert erörtert haben die Richter, ob und in welchem Umfang es sich bei Einträgen in einem Gästebuch um "fremde Inhalte" handeln könnte, die dann unter die -- erweiterten -- Haftungsprivilegierungen des zum Jahreswechsel überarbeiteten Teledienstgesetzes (TDG) fallen würden. Das LG Trier hatte sich dieser Problematik ansatzweise angenommen und nicht per se eine Haftung für Gästebucheinträge angenommen, sondern nur für solche Beiträge, die sich der Betreiber einer Homepage "zueigen macht". Zueigenmachung soll dann vorliegen, wenn der Gästebuchbesitzer (vermeintlich) rechtswidrige Beiträge stehen lässt, obwohl er Kenntnis von ihnen hat. Zugleich erlegten die Trierer Richter einem Homepage-Betreiber auf, sein Gästebuch wöchentlich zu kontrollieren, um sich einen Überblick über die Einträge verschaffen zu können.
Diese Sichtweise ist unter Juristen jedoch heftig umstritten, denn sie findet im Gesetz keine ausdrückliche Stütze. Auf das durchschnittliche Gästebuch einer "privaten Homepage" bezogen, mag diese Rechtssicht noch als pragmatischer Weg erscheinen, der aber schnell an die Grenzen der Praktikabilität stoßen dürfte, wenn es sich um eine stark frequentierte Seite oder gar um ein belebtes Diskussionsforum handelt, bei dem es nahezu unmöglich ist, jeden Beitrag einzeln zu kontrollieren. Zudem dürfte der durchschnittliche Internet-User oftmals schlicht überfordert sein, Rechtswidriges von -- gerade noch -- Zulässigem zu unterscheiden. In der Rechtsprechung ist grundsätzlich anerkannt, dass mit scharfer Kritik rechnen und leben muss, wer öffentlich agiert. Dabei ist die Grenze zwischen "sinnfälligen Schlagworten" -- wie das Bundesverfassungsgericht es nannte -- und Beleidigungen beziehungsweise Schmähkritik allerdings oftmals fließend und selbst für Juristen nicht immer eindeutig zu definieren. Das letzte Wort in Sachen "Haftung für Gästebücher" wird daher wohl in Karlsruhe gesprochen werden. (Alexander Kleinjung) / (jk)