Von Sex und Sixpacks: Im Internet werden die Grenzen ausgetestet

Im Internet gerät manches außer Rand und Band -- gesellschaftliche Normen könnten sich in der elektronischen Welt weiter auflösen, meint etwa der Direktor des Europäischen Medieninstituts.

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Von
  • Tim Braune
  • dpa

Im Internet gerät manches außer Rand und Band: Sechs Party-Frauen zum Mieten sorgten bei eBay für Aufregung. Häufig werden in Chatrooms sogar Selbstmorde oder Scheidungen angekündigt. Gesellschaftliche Normen könnten sich in der elektronischen Welt nach Einschätzung von Experten weiter auflösen. "Da entsteht eine neue Kulturlandschaft, die sich in alle Lebensbereiche ausdehnt. Und die Menschen probieren aus, was sie mit dieser Plattform alles machen können", sagt der Direktor des Europäischen Medieninstituts in Düsseldorf, Prof. Jo Groebel.

Das Netz sei unglaublich dynamisch und fege altbackene Ansichten fort. Aber: Das Internet ist auch ein prall gefüllter Verkaufskanal. Und der Rubel rollt am besten, wenn viel nackte Haut gezeigt wird. "Bei allen Vorzügen des Internet sehen wir neue Formen der Prostitution, die die Menschenwürde verletzen", kritisiert der Medienwissenschaftler. Und damit werde die Frau zum Lustobjekt degradiert. Für Wirbel sorgten zuletzt sechs Frauen aus dem beschaulichen Rheda-Wiedenbrück in Nordrhein-Westfalen: Im Online-Auktionshaus eBay versteigerten sich die Frauen für stolze 25.050 Euro. Dafür kommt die Gruppe mitsamt einer Kiste Bier zur Party eines anonymen Bieters. Das regte vor allem die Fantasie männlicher User an. Doch die Combo versicherte in Funk und Fernsehen, sie habe garantiert keine sexuelle Absichten.

Es dauerte freilich nur ein paar Stunden, bis leicht bekleidete Trittbrettfahrerinnen bei eBay in Dessous und mit Bierflaschen posierten. Die vier selbst ernannten "Partygranaten" boten den "cellulitefreien Partyspaß". Die männliche Internetgemeinde jubelte: Zwischenzeitlich kletterten die Gebote über 100.000 Euro und lagen durch "Spaßbieter" teilweiweise sogar bei 10.000.000 Euro, bis die Frauen am Dienstagabend ihr Angebot zurückzogen. eBay-Sprecher Joachim Guentert zeigt sich überrascht von dem Rummel. "Bemerkenswert ist doch, dass das überhaupt möglich ist", sagt er.

Kritiker vermuten, es könnte sich um einen reinen Werbegag handeln. In Sorge um ihr Image als familienfreundlicher Flohmarkt stoppten die eBay-Macher nach eigenen Angaben inzwischen einige schlüpfrige Angebote. Wer allerdings am Mittwoch im Suchfenster des Dienstes das Stichwort "Partygranaten" eingab, bekam gleich 203 Angebote angezeigt. Auch Geschäftemacher sind schon da: Erste "Partygranaten"-T-Shirts wurden verkauft.

Etlichen eBay-Nutzern, die einfach nur ihre Briefmarken oder einen Gartenzwerg verkaufen wollen, geht der Wirbel um die Partyfrauen gehörig auf die Nerven: "Haben die eine Schraube locker?", wurde im Forum gefragt. Mit Humor reagierte ein eBay-Mitglied aus Nordrhein-Westfalen. Zur Überschrift "Sexy Partyhuhn -- ohne Tabus" stellte er das Foto eines nackten Hühnchens ins Netz (Höchstgebot: 10,57 Euro). Die Empörung zeige, dass die Internet-Gemeinschaft doch zu einer gewissen Selbstkontrolle fähig sei, meint Medienexperte Groebel. (Tim Braune, dpa) / (jk)