Rechner wegen Satire im Web beschlagnahmt

Eine Karikatur von Gerhard Seyfried mit einem winzigen Hakenkreuz reichte aus, um einen Durchsuchungsbefehl gegen einen Karlsruher zu erwirken und seinen Rechner zu beschlagnahmen.

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Von
  • Torsten Kleinz

Eine Karikatur (auch bei odem.org zu finden) mit einem winzigen Hakenkreuz auf seiner Webseite reichte aus, um einen Durchsuchungsbefehl gegen einen Karlsruher zu erwirken und seinen Rechner zu beschlagnahmen. Am Mittwochmorgen wurde der 39-jährige von der Hausdurchsuchung überrascht: Drei Beamte der Kriminalpolizei durchsuchten seine Wohnung auf richterlichen Beschluss ohne vorherige Anhörung und beschlagnahmten seinen PC. Ihm wurde vorgeworfen, Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ins Internet eingestellt zu haben. Nach einer Anhörung am gleichen Tag bekam der Beschuldigte seinen Rechner zurückerstattet.

Offenbar bezog sich die richterliche Anordnung auf eine Karikatur, die der Beschuldigte auf seiner Privatseite eingebunden hatte. Dieses Diagramm wurde von dem Berliner Grafiker und Comic-Zeichner Gerhard Seyfried erstellt und zeigt eine satirische Verknüpfung verschiedenster Weltverschwörungstheorien. Zu sehen sind unter anderem ein Hakenkreuz und ein SS-Emblem, die die Verstrickung von Nazis in internationale Seilschaften symbolisieren. Beide Symbole sind nur wenige Pixel groß. Seit der Veröffentlichung im August wurde diese Grafik auf vielen Internetseiten zitiert. Allein von der Webseite des Grafikers wurde sie über 20.000 Mal abgerufen.

Überraschend ist der Aufwand, den die Strafverfolger zur Ermittlung des mutmaßlichen Straftäters betrieben haben. Da er bei dem Hosting-Provider nicht seine richtigen Daten angegeben hatte, musste die Polizei erst die IP-Nummer herausbekommen, von der die Webseite hochgeladen wurde. Anschließend wurde mit Hilfe des Access-Providers der Telefonanschluss ermittelt und der durchsuchten Wohnung zugeordnet.

Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft in Karlsruhe bestätigte den Sachverhalt weitgehend. Für die Staatsanwälte sei der Satiregehalt der Seite jedoch nicht klar ersichtlich gewesen. Anhand der Seite, die mittlerweile zum Provider Lycos wechselte, ist diese Aussage jedoch nicht so recht nachzuvollziehen: Nur wenige Stunden nach der Durchsuchung war hier wieder die Karikatur mit einem eindeutigen Autorenvermerk von Gerhard Seyfried in der rechten unteren Ecke zu sehen -- sogar die Internetadresse des Grafikers ist angegeben. Auch ein Schnappschuss vom Oktober aus dem Google-Cache zeigt die unveränderte Karikatur.

Wie die Staatsanwaltschaft weiterhin mitteilte, sei die Justiz auf Grund der Anzeige einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft tätig geworden. Der damals arbeitslose Netzwerkadministrator hatte bereits im August juristischen Ärger wegen seiner Webseite. Als er bei der Industrie- und Handelskammer eine Fortbildungsveranstaltung besuchte, veröffentlichte er begleitende Informationen und ein Forum für Kursteilnehmer. Nach einer Abmahnung im August wurden die beanstandeten Inhalte aus dem Netz genommen. An gleicher Stelle erschien später die Seyfried-Karikatur.

Nicht nur online sorgt die Satire für Verwirrung bei den deutschen Strafverfolgern. Wie der Autor Mathias Bröckers berichtet, wurde ein Exemplar seines Buches "Verschwörungen, Verschwörungstheorien und die Geheimnisse des 11.9." , das eben diese Grafik enthält, in einem Ladengeschäft des Verlages Zweitausendeins beschlagnahmt. (Torsten Kleinz) / (jk)