Microsoft zieht die Börsen in den Keller

Besorgniserregende Nachrichten von Microsoft sind nach Ansicht vieler Beobachter ein Zeichen für eine tiefgreifende Krise.

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Von
  • Jürgen Kuri

Microsoft erreichte am gestrigen Freitag ein ungeahntes Tief. Am Donnerstag nach Börsenschluss gab der Software-Konzern zum ersten Mal seit 10 Jahren eine Umsatz- und Gewinnwarnung für das laufende Geschäftsquartal heraus. Der Kurs der Microsoft-Aktie reagierte sofort: Im nachbörslichen Handel fiel er um über 6 Prozent auf 52,06 US-Dollar.

Damit war aber noch nicht das Ende erreicht. Im Verlaufe des Börsentags am gestrigen Freitag sackte der Kurs dann noch einmal um über 11 Prozent auf 49,18 US-Dollar ab, nachdem er im Verlauf des offiziellen Handels zwischenzeitlich ein 52-Wochen-Tief von 47,75 US-Dollar erreicht hatte. Am 30. Dezember letzten Jahres dagegen lag das Papier an der Börse noch bei 119,93 US-Dollar. Der Kurs der Microsoft-Aktie ist innerhalb eines Jahres um 54,64 Prozent eingebrochen. Das Unternehmen hat nunmehr noch einen Marktwert von 262,3 Milliarden US-Dollar; bei etwas über 5,332 Milliarden ausgegebenen Aktien lag er am 30. Dezember 1999 noch bei rund 639 Milliarden US-Dollar.

Die Nachrichten von Microsoft trafen an den Börsen auf eine sowieso schon schlechte Stimmung. Es ist nichts zu sehen von der oft beschworenen Jahresend-Rally. Da half auch die Bestätigung von George W. Bush als neuem US-Präsidenten nach langem juristischen Hickhack um die Auszählung der Wählerstimmen nicht viel. Zu fragwürdig erscheint denn doch vielen die Entscheidung des obersten US-Bundesgerichts, zu schwach dürfte der neue Präsident für den Geschmack vieler Börsianer angesichts der Umstände seiner Wahl sein. Dazu die Hiobsbotschaften aus der PC-Branche – und die Kurse sacken auf breiter Front ab.

Der Nasdaq100 fiel immerhin nicht ganz so stark wie die Microsoft-Aktie: Am Freitag verlor er 3,4 Prozent auf 2.549,48 Punkte. Gegenüber der Vorwoche fiel die Nasdaq um 9 Prozent. Im Verlauf des Freitag musste die Nasdaq insgesamt sogar zeitweise ein Minus von 130 Punkten verzeichnen.

Microsofts Gewinnwarnung wird von vielen Analysten als Auslöser des Rückgangs angesehen. Zwar habe es in den letzten Tagen unzählige Hiobsbotschaften gegeben, die eine grundlegend schlechte Stimmung erzeugten. Die Nachrichten von Microsoft hätten aber deutlich vor Augen geführt, wie tiefgreifend die Flaute in Wirklichkeit sei. Zudem habe die Warnung des Software-Konzerns, dass die Umsätze mit Firmenkunden schlecht gelaufen seien, die Börsen doch sehr besorgt. Dieses Geschäft sahen viele noch als letzten Rettungsanker für die PC-Hersteller – wenn das auch schlecht läuft, lässt sich der miese Umsatz mit Endkunden nicht mehr ausgleichen, was die Preise noch weiter unter Druck setzt.

Allerdings werden nicht nur die Hightech-Werte selbst in Mitleidenschaft gezogen. Angesichts der Flaute im PC-Geschäft sind sie zwar besonders betroffen; aber die langsam zurückgehende US-Konjunktur zieht praktisch alle Branchen mit nach unten. Überraschenderweise aber hat die Krise der PC-Branche inzwischen Auswirkungen auf Firmen, bei denen man solche Effekte eigentlich auf den ersten Blick nicht vermuten würde.

Die Logistik-Unternehmen UPS und Federal Express korrigierten ihre Umsatzerwartungen für das laufende Quartal nach unten – nicht etwa allein deswegen, weil eine allgemein schwächere Konjunktur sich auswirke; beide Firmen hoben explizit darauf ab, dass die geringen Verkäufe von PCs an Endverbraucher und Firmenkunden zu einem Einbruch in ihrem Geschäft geführt hätten. UPS, die in den USA mehr als die Hälfte aller über das Internet gekaufter Güter ausliefern, merkt nach eigenen Angaben sofort, wenn sich die Kunden in diesem Bereich zurückhalten, beispielsweise bei den PC-Direktverkäufern wie Dell und Gateway.

Einen noch tieferen Sturz der Nasdaq verhinderten eigentlich nur ein paar wenige gute Nachrichten – von Oracle und Adobe beispielsweise – und die Erwartungen, dass die Federal Reserve Bank angesichts geringer Inflationsrate und einer schwächelnden Konjunktur ihre restriktive Finanzpolitik etwas lockern wird. Die Börsen gehen eigentlich von einer Zinssenkung durch die obersten Währungshüter der USA aus, denn hohe Zinssätze gegen eine Überhitzung der US-Konjunktur seien momentan nun wirklich nicht notwendig.

Ein interessanter Nebeneffekt übrigens des Einbruchs des Microsoft-Papiers an den Börsen: Bill Gates' Paket, das 13,70 Prozent aller Microsoft-Aktien ausmacht, ist damit nur noch 35,93 Milliarden wert statt wie zum Ende des letzten Jahres 87,54 Milliarden US-Dollar.

Damit könnte sich Larry Ellison vielleicht bald einen Wunschtraum erfüllen: Auf der Liste der reichsten Männer der USA, die das Forbes-Magazin alljährlich herausgibt, seinen Erzfeind Gates abzulösen. Mit einem geschätzten Vermögen von 63 Milliarden US-Dollar war Gates auf der letzten veröffentlichen Rangliste im September noch um rund fünf Milliarden US-Dollar reicher als die Nummer zwei, Oracle-Chef Ellison. Oracles Aktienkurs stieg am gestrigen Freitag immerhin schon einmal um 3,86 Prozent auf 28,56 US-Dollar. Damit ist Oracle zwar noch weit vom 52-Wochen-Hoch entfernt, das bei 46,46 US-Dollar lag, kann aber eine Marktkapitalisierung von 159,8 Milliarden US-Dollar vorweisen. Und da Ellison 24,16 Prozent an Oracle hält, ist allein sein Oracle-Aktienpaket momentan 38,6 Milliarden US-Dollar wert – etwas mehr als das Microsoft-Aktienpaket von Gates. (jk)