Öffentliche Beschwerdestelle für Newsgroups

Beim Verband der deutschen Internet-Wirtschaft kann jeder Nutzer "bedenkliche" Inhalte im Usenet melden und indirekt die Sperrung ganzer Newsgruppen auslösen.

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Der Kölner Verband der deutschen Internet-Wirtschaft eco richtet mit NewsWatch eine öffentliche Online-Hotline für Beschwerden rund um "illegale oder bedenkliche" Inhalte im Usenet ein. Eco reagiert mit der Öffnung der bereits vor vier Jahre gegründeten Anlaufstelle für alle Nutzer auf den verstärkten Druck aus den Ländern, den Kampf gegen Rechtsextremismus und Kinderpornographie im Netz zu verschärfen. So hatte der Düsseldorfer Regierungspräsident Jürgen Büssow (SPD) beispielsweise erst jüngst angekündigt, die Provider stärker in die Pflicht nehmen zu wollen und von eco die Herausgabe der Adressen aller nordrhein-westfälischen Zugangsanbieter gefordert. Ziel von NewsWatch ist es nun, das Internet durch Selbstkontrollmaßnahmen "sauberer" zu machen und angeordneten Zwangssperrungen im großen Stil zuvorzukommen.

Anonyme Eingaben sind bei der Hotline – anders als bei der auch vom Heise-Verlag unterstützten Aktion Netz gegen Kinderporno – nicht zulässig. Beschwerdeführer müssen einen Hinweis auf einen bestimmten Inhalt einreichen, die Newsgroup angeben, in der sich der beanstandete Inhalt befindet, sowie den Provider, der das virtuelle Forum bereithält. Möglichst sollte auch die Message -ID des Postings genannt werden. Zuständig ist die bei eco angesiedelte, die Anlaufstelle betreuende Internet Content Task Force (ICTF) allerdings nur für Diensteanbieter mit Sitz in Deutschland. Eine enge Zusammenarbeit verspricht der Verband aber mit der Inititative Internet Hotline Providers in Europe (INHOPE) sowie der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia (FSM), die Beschwerden zu Web-Inhalten entgegennimmt.

Die eingegangenen Beschwerden werden von der ICTF geprüft und in die Kategorien "harmlos", "bedenklich" beziehungsweise "nicht jugendfrei" sowie "illegal" eingestuft. Bewertungskriterien sind insbesondere Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, Volksverhetzung und die Verbreitung antidemokratischer oder nazistischer Propaganda, Anleitung zu Straftaten sowie extreme Gewaltdarstellungen. Auf Basis der Prüfung wird den Mitgliedern der ICTF im zweiten Schritt nahegelegt, entweder eine Zugangsbeschränkung für Minderjährige einzuführen oder eine Löschungsempfehlung abgegeben. Bei der "Überschreitung eines bestimmten Schwellenwertes" will die ICTF den angeschlossenen Providern sogar die "Sperrung der gesamten Gruppe" nahe legen. Zur Arbeitserleichterung bietet das Gremium einen E-Mail-Aboservice, der eine automatisierte Löschung von Artikeln und Sperrung von Newsgruppen ermöglichen soll.

An Nichtmitglieder der ICTF ergeht ein Hinweis auf den Beschwerdegegenstand und eine Aufforderung zur Stellungnahme und Abhilfe. ICTF- Mitglieder, die dreimal Hinweise auf illegale Inhalte nicht beachten und entsprechenden Sperrvermerken nicht nachkommen, können von der Mitgliedschaft bei NewsWatch ausgeschlossen werden. Gesetzlich sind Provider bisher durch Paragraph 5 des Informations- und Kommunikationsdienstegesetzes beziehungsweise des Mediendienste-Staatsvertrags nur dann dazu verpflichtet, rechtswidrige Inhalte von Newsgroups zu löschen oder den Zugang zu illegalen Websites zu sperren, wenn sie von den Strafverfolgungsbehörden dazu aufgefordert werden. Dies gilt unter der Bedingung, dass die Maßnahmen "technisch zumutbar" sind.

NewsWatch ist im Prinzip ein alter Hut. Bisher hat allerdings nur die ICTF selbst das Screening von Newsgroups übernommen. Nun sollen deutlich mehr "Eyeballs" nach dem beziehungsweise den Rechten im Netz suchen. Die Maßnahmen der ICTF sind allerdings schon auf rein technischer Eb ene seit Jahren umstritten. So hatte der Internet-Medienrat, der sich im Zusammenhang der deutschen Multimedia-Gesetzgebung 1997 gegründet hatte, in seiner vier Jahre zurückliegenden "WebBlock"-Studie befunden, dass Sperrungen von nach deutschem Recht illegalen Web- und Newsgroup-Angeboten technisch "problematisch", datenschutzrechtlich "nicht tragbar" und möglicherweise "rechtswidrig" seien.

Mit dem inzwischen ausgebauten INHOPE-Netzwerk hofft der Providerverband einen Weg gefunden zu haben, die Beschwerden auch international durchzusetzen. Usern soll die Möglichkeit erschwert werden, einen anderen Provider zu finden, der auch beanstandete Postings oder Newsgroups weiterhin im Angebot hat. Eco will und kann ausländische Anbieter allerdings nur auf problematische Postings hinweisen. Diese müssen ihren nationalen Gesetzen entsprechend über eventuelle Löschungen von Postings entscheiden. Zu INHOPE gehören Hotlines in Deutschland, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Irland, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Schweden, Spanien, Australien und den USA.

Nach Ansicht des eco-Geschäftsführer Harald Summa steht der Hotline-Verband "beispielhaft dafür, wie eine konzertierte Initiative der Internet-Service-Provider gemeinsam mit anderen gesellschaftlichen Kräften wie Kinder- und Jugendschutzorganisationen auf freiwilliger Basis viel wirksamer ist als staatliche Regulierung". Im Unterschied zu den vielen sinnlosen Vorschlägen zur Kriminalitätsbekämpfung im Internet wie der "überflüssigen Cybercrime Convention" bis zur "unsäglichen Telekommunikations-Überwachungsverordnung" habe sich INHOPE bewährt. (Stefan Krempl) / (jk)