Abschlussbericht der US-Kommission zum Jugendschutz im Internet

Die Kommission zum vorerst ausgesetzten "Child Online Protection Act" meint, dass keine einzelne Methode oder Technik, etwa Filter-Systeme, Kinder hundertprozentig vor "schädlichen Online-Inhalten" schützen kann.

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Von
  • Monika Ermert

1998 wurde der so genannte Child Online Protection Act (COPA) vom US-Kongress verabschiedet und von US-Präsident Bill Clinton in Kraft gesetzt – das Gesetz sollte Kindern den Zugang zu Porno-Sites im Internet erschweren. Bürgerrechtsorganisationen in den USA legten allerdings vor Gericht gegen das Gesetz Beschwerde ein in Sorge um Verletzung der Meinungsfreiheit – und hatten Ende Juni dieses Jahres auch im Berufungsverfahren um die erstinstanzliche Aussetzung des Gesetzes Recht bekommen.

Gleichzeitig mit der Verabschiedung des Gesetzes wurde 1998 auch eine Kommission eingerichtet, die "Methoden und Werkzeuge studieren" sollte, die dafür eingesetzt werden könnten, um "Kinder vor Material zu schützen, das schädlich für sie ist". Ende November endet nun das Mandat dieser Commission on Child Online Protection; am Freitag vergangener Woche legte sie ihren Abschlussbericht vor. Allerdings ohne eine eindeutige Empfehlung auszusprechen: "Die Kommission ist zu dem Schluss gekommen, dass keine einzelne Technologie oder Methode Kinder hundertprozentig vor schädlichen Online-Inhalten schützen wird", sagte der Kommissionsvorsitzende Don Telage von Network Solutions (NSI). Auch in ihren Einzelresümees empfahlen die Kommissionsmitglieder, die von großen Contentanbietern sowie aus Justiz und Bildungseinrichtungen kommen, einen Mix aus Aufklärung und Information für Eltern und Erzieher, der Weiterentwicklung von Filter- und Blocking-Technolgien und der besseren Anwendung bestehender Gesetze. "Wir haben alle erkannt, dass es keine Einzelmaßnahme und kein Zaubermittel gibt", so Kommissionsmitglied John C. Bastian, Geschäftsführer von Security Software Systems.

18 verschiedene Maßnahmen hat die Kommission entsprechend ihrer Effektivität für den Schutz der Kinder, der Verfügbarkeit, der Kosten für Anwender und Anbieter, aber auch ihrer Gefahren für die Meinungsfreiheit getestet. Die Liste reicht von Online-Informationsmaterial und Aufklärungskampagnen über die bekannten Server- oder PC-seitigen Filtertools und Rating-Systeme bis zum obligatorischen Alters-Check für Porno-Seiten. Neue Vorschläge beziehen sich allenfalls auf die Möglichkeit, Top Level Domains speziell für Kinder einzurichten – oder, anders herum, speziell für Erwachsene. Bei der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) liegen Vorschläge wie .kid oder .sex vor. Außerdem hat die Kommission auch über die Möglichkeit nachgedacht, spezielle Nummernblöcke auf der Basis des neuen Protkollstandards IPv6 als Rotlichtbezirk oder Kinderzone einzurichten. Dafür wäre allerdings ein vergleichsweise großer Aufwand für die Verknüpfung von Inhalten mit spezifischen Nummernbereichen notwendig.

Den besten Kosten-Nutzeneffekt bescheinigt die Kommission Aufklärungsprogrammen für die Eltern von Online-Kids und so genannten Greenspaces, die ein begrenztes Angebot für Kinder zur Verfügung stellen. Server-seitige Filter und auch den Alters-Check per Kreditkarte beurteilt sie zwar als effektiver als diese Maßnahmen, warnt allerdings deutlich vor Verletzungen der Meinungsfreiheit beziehungsweise Datenschutzproblemen. Zur Frage der Güterabwägung zwischen dem Schutz der Kinder und der Einschränkung verfassungsmäßiger Rechte äußerten sich die einzelnen Mitglieder sehr verschieden.

Der geschäftsführende Direktor der Internet Content Rating Association (ICRA), Stephen Balkam, erklärte, Nutzer in aller Welt seien vor allem über Pornographie, Datenschutz und Sicherheit besorgt: "Für die Mehrheit der Weltbevölkerung bleibt das Internet ein Mysterium, abstoßend, unverständlich und beängstigend. Die größte Hürde für ein kontinuierliches Wachstum des neuen Mediums ist Angst." ICRA arbeitet derzeit an einem nicht unumstrittenen, global einsetzbaren Self-Rating-and-Filtering-System. Im nächsten Schritt hält Balkam eine internationale Kommission analog zur COPA-Kommission für notwendig.

Deutlich verhaltener fiel dagegen das Urteil von Jerry Berman vom Center for Democracy and Technology (CDT) aus, der vor der zwangsweisen Zuordnungen verdächtiger Inhalte in spezielle Top Level Domains warnte. Er betonte, jegliche Filtertechniken müssten unabhängig auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin überprüft werden. "Ich halte, wie einige andere Kommissionsmitglieder, die Einschränkungen freier Rede, die mit COPA in Kraft gesetzt sind, für verfassungswidrig", kritisierte auch der CEO von PSInet, William Schrader.

Aufhorchen dürften Filterkritiker vor allem bei der wiederholten Nennung der ICANN im Kommissionsbericht. Die für Nummern, Namen und Protokolle zuständige Organisation hat bislang jede Ausweitung ihres Mandats auf Content-Fragen energisch zurückgewiesen. Im COPA-Bericht wird sie von mehreren Kommissionsmitgliedern als Modell eines internationalen Selbstregulierungsorgans für das Netz genannt. Noch gibt es jedoch keinen konkreten Vorschlag für ein entsprechendes Organ zur globalen Inhaltsaufsicht im Internet. (Monika Ermert) (jk)