IFA

Rasender Stillstand bei der Multimedia Home Platform

Die ersten Set-Top-Boxen mit dem Internet und TV verschmelzenden Standard sind auf dem Markt, doch ihre Preise dürften Verbraucher abschrecken.

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Das Thema Interaktives Fernsehen steht nicht zum ersten Mal im Mittelpunkt der IFA. Nach jahrelangen Diskussionen der Techniker können die Besucher in diesem Jahr allerdings in Form einer echten Premiere Settop-Boxen mit der Standard Multimedia Home Platform (MHP) in den Messehallen unterm Funkturm bewundern. Geräte mit dieser offenen API, dank der künftig alle interaktiven Anwendungen auf allen Geräten unabhängig von Anbieter und Hersteller ablaufen sollen, sind auf den Ständen von Nokia, Panasonic, Philips und Sony zu bewundern.

Der MHP-Standard soll dem modernen Mediennutzer die Tore zur konvergierenden Medienwelt – TV, Internet und Mobilfunk – aufstoßen und das digitale, individuelle Zusatzanwendungen ermöglichende Fernsehen in Deutschland endlich salonfähig machen. Nach Ansicht der beteiligten Branchen, die sich hierzulande bereits vor zehn Jahren zur Deutschen TV-Plattform zusammengeschlossen haben, führe an MHP langfristig kein Weg vorbei, da das heute herrschende Nebeneinander verschiedener Programmierungsschnittstellen auf Dauer im Interesse der Erschließung eines gemeinsamen Marktes nicht durchzuhalten sei.

Die Technik ist nach Ansicht der Hersteller nach jahrelangen Standardisierungsgefechten trotz noch bestehender Unklarheiten über Rückkanäle, ohne die das "interaktive" Feedback nicht zum Anbieter gelangt, und die Belegung der Fernbedienung jetzt endlich einsatzbereit für den Massenmarkt. Vor allem die Interoperabilität sei gesichert, verkündete Wilfried Geuen, Leiter der Panasonic European Laboratories in Erlangen am Donnerstag auf dem Medienforum Berlin-Brandenburg am Rande der IFA. "Wir haben mehr als 1500 Applikationen auf vier Plattformen verifiziert." Das einberufene Test-Konsortium der Hersteller habe zudem Checkpunkte für die Selbstzertifizierung aufgestellt. Nur wer sie erfülle, erhalte das MHP-Logo.

Eines der vier bereits zu kaufenden MHP-Geräte – das Nokia Media Terminal, das mit seinen abgerundeten Ecken und dem Silberdesign mit den früheren Kästen zum Empfang von digitalem Rundfunk nur noch wenig gemein hat – stellte Helmut Stein, Cheftechniker von Nokia Home Communications, auf dem Medienforum bereits vor. Die Settop-Box fungiert sowohl als PC mit einem 330 Megahertz-Prozessor, DVB-Station als auch als mobile Plattform, die dank Bluetooth auch übers Handy Daten empfangen kann, und ist mit einer 40 Gigabyte-Festplatte ausgerüstet. "Darauf lassen sich rund 40 Stunden Video speichern", erläutert Stein. Softwaremäßig bedient sich die Box nur offener Standards – neben MHP insbesondere HTML und Java – und hat als Betriebssystem Linux an Bord.

Wie die Geräte der anderen Hersteller ist das Media Terminal allerdings nicht ganz billig: Rund 1000 Mark sollen Technikfans dafür berappen. Nicht gerade wenig für eine Box mit einem Standard, von dem die meisten Zuschauer bislang nie etwas gehört haben. Der stolze Preis rechnet sich aber noch nicht einmal für die Hersteller, sodass Nokia auch – ähnlich wie Microsoft bei Windows XP – prominente Icons zum Beispiel an Shopping-Anbieter vermieten will. Quelle etwa könne sich damit einen festen Speicherplatz auf der Harddisk sichern, meinte Stein, den Katalog digital vorhalten und dadurch Druckkosten sparen. Mit dem Grundpreis allein ist aber auch der Verbraucher noch lange nicht aus dem Schneider: Für Kommunikationsdienste wie E-Mail, personalisierte Wettervorhersagen, Spiele oder Software-Downloads soll er natürlich extra bezahlen.

Die große Herausforderung für die sich multimedial gebenden Verbraucherelektronik-Hersteller ist nun, die Endkunden Schritt für Schritt aus der heutigen Rundfunkumgebung abzuholen. Denn "gieren" wird der Konsument, hat der geistige Vater von MHP, der Philips-Manager Georg Lütteke, eingesehen, nach der neuen schönen Medienwelt nicht. (Stefan Krempl) / (jk)