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Was die neuen Besitzer mit dem TV-Kabel vorhaben

Die Chefs der neuen Kabelgesellschaften legten ihre Pläne offen: Breitband-Internet und günstige Telefondienste sollen das TV-Kabel-Netz attraktiv machen.

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Mit Breitband-Internet, E-Mail und preisgünstigen Telefondiensten wollen die neuen Bosse des Kabels zahlende Kunden gewinnen. Das verkündeten die Chefs der Betreiber Callahan (Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg) und iesy (Hessen) am heutigen Freitag auf dem Medienforum Berlin-Brandenburg. Das interaktive Fernsehen mit Einkaufsmöglichkeiten per Fernbedienung und anderen Telediensten steht dagegen wider Erwarten nicht bei allen Strippenziehern sofort im Vordergrund. "Der Markt für E-Commerce existiert noch nicht", glaubt David Colley, Geschäftsführer von Kabel NRW und Leiter der Europäischen Breitbandgeschäfte des US-Konzerns Callahan, der nach dem Einstieg in Nordrhein-Westfalen gerade auch den Kauf der Kabelinfrastrukturen im "Ländle" abwickelt. Erfahrungen in anderen europäischen Märkten wie Spanien hätten gezeigt, dass die Anbieter dort "nicht viel Geld" mit dem "T-Commerce" machen.

Callahan will die häufig verkündete digitale Revolution des Fernsehens langsam angehen. Interaktive TV-Dienste sollen nicht vor der zweiten Hälfte 2002 angeboten werden. Vorrang habe zunächst der Ausbau des Netzes, das Callahan so wie alle anderen neuen Betreiber von der Deutschen Telekom ohne den Rückkanal erhalten hat, über den Daten vom Nutzer zurück zum Sender transportiert werden können. Über genaue Angaben, wann das Kabel in NRW und Baden-Württemberg zum "Full Service Network" mit allen erdenklichen Interaktionsangeboten auf 862 Megahertz ausgebaut werden soll, drückte sich Colley im Gegensatz zu seinem Kollegen Mobley herum. Der machte deutlich, dass iesy sich generell als "Mercedes in der Kabelwelt" begreife und daher schon vom Herbst an Multimedia-Services anbieten werde. Gestartet wird das digitale Fernsehen allerdings zunächst nur in den Ballungsräumen Frankfurt und Wiesbaden. Bislang hat die iesy/Kabel Hessen GmbH, die hauptsächlich dem britischen Konzern NTL gehört, erst 2.000 Wohnungen testweise aufgerüstet. Von Januar an sollen aber monatlich 50.000 Einheiten folgen.

Eine der spannendsten Fragen für die Verbraucher ist natürlich, was die Zusatzdienste kosten und ob das gewohnte, rund 30 Programme umfassende Free-TV-Angebot erhalten bleibt. Die Vertreter von Kabel NRW und iesy beeilten sich beide unisono zu erklären, hier keine heiligen Kühe schlachten zu wollen. Nur weil Callahan seine Wurzeln in Denver, Colorado, habe, scherzte Colley, seien dort keineswegs nur Cowboys beschäftigt. Die bei den Medienwächtern erwachte "Hysterie" anlässlich befürchteter Einschnitte in die bestehende Programmwelt sei übertrieben. Kosten, die über die bisherigen Kabelgebühren hinausgehen, sollen allein für die Nutzung von Angeboten wie E-Mail, Chats oder elektronischen Programmführern berechnet werden. Die Betreiber hoffen, dass die Zuschauer beispielsweise für den Service, eine Nachbarin während einer spannenden Sendung auf diese direkt hinzuweisen und in einem separaten Fenster auf dem Bildschirm parallel mit ihr zu chatten, zusätzlich in die Tasche greifen. Bei iesy werden solche Kommunikationsdienste im Verbund mit themenbezogenen Spartenkanälen mit 20 Mark monatlich zu Buche schlagen.

Bedeckt hält sich noch der Dritte im Bunde der Kabelherren, der wie Callahan in Denver beheimatete Konzern Liberty Media. Dessen Chef John Malone ist in der Branche als knallharter Geschäftsmann bekannt. Da der Kaufvertrag mit der Telekom noch nicht im Trockenen ist und immer wieder kartellrechtliche Bedenken gegen den Aufkauf der Kabelnetze in der gesamten Nord-Südachse zwischen Schleswig-Holstein und Bayern laut werden, schweigt sich das Unternehmen momentan über konkrete Vorhaben aus. Generell meint es Liberty mit den Ballungsgebieten besser als mit ländlichen Regionen, wo digitale TV-Dienste erst mit deutlicher Verzögerung eingeführt werden sollen. Im Laufe des nächsten Jahres plant Liberty nach Angaben der Kabel Berlin-Brandenburg GmbH, etwa in der Hauptstadt 713.000 Haushalte auf 862 Mhz aufzurüsten. Malone will vor allem mit Fernsehprogrammen Geld verdienen.

Auf gemeinsame Standards für Settop-Boxen wie etwa MHP (Multimedia Home Platform) wollen sich die Strippenzieher hierzulande noch nicht festlegen lassen, obwohl zumindest Callahan und iesy Kooperationen nicht ausschlossen. "Wir müssen die internationale Entwicklung beobachten", gab Mobley als Losung aus. Ein einheitliches Betriebssystem für alle Boxen in Deutschland sei vorerst nicht geplant. Die Regulierer halten einen offenen, auf MHP beruhenden Zugang dagegen für unerlässlich, damit Nutzer nicht etwa bei einem Umzug von einem Bundesland zum nächsten ihre TV-Ausrüstung neu kaufen müssen. Die Kabelbetreiber sehen die Politik dagegen nicht gefordert, da sie den Kunden beim Abonnement von digitalem Fernsehen selbst mit Boxen versorgen wollen. (Stefan Krempl) / (jk)