Datenschützer schockiert über verschärfte Überwachungsregelungen

Die geplante Vorratsdatenspeicherung sei eine "Systemveränderung von gravierendem Ausmaß", kritisieren Datenschützer die "Saboteure am Grundrecht auf unbeobachtete Kommunikation".

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Von
  • Christiane Schulzki-Haddouti

Der schleswig-holsteinische Landesdatenschützer Helmut Bäumler sowie der Vorsitzende der Deutschen Vereinigung für Datenschutz, Thilo Weichert, äußern sich schockiert über den Gesetzentwurf "zur Verbesserung der Ermittlungsmaßnahmen wegen des Verdachts sexuellen Missbrauchs von Kindern". Der Entwurf, der im Bundesrat am Freitag verabschiedet werden soll, sieht verschärfte Überwachungsregelungen vor, die die bisherige Höchstspeicherfrist in eine Mindestspeicherfrist verwandeln. Erst Anfang der Woche erfuhren die Datenschützer von dem Vorstoß; in der Kürze der Zeit konnten sich andere Datenschützer noch nicht zu dem Thema äußern.

Im Rechtsausschuss des Bundesrats wurde der Vorschlag bereits mehrheitlich angenommen. Für Bäumler ist das der wiederholte Versuch, "den Datenschutz für Internet und Telekommunikation fast vollkommen auszuhebeln". Die zwangsweise Vorratsspeicherung sei eine "Systemveränderung von gravierendem Ausmaß". Ungewöhnlich scharf kritisiert Bäumler "die Saboteure am Grundrecht auf unbeobachtete Kommunikation": Künftig sollen nämlich nicht nur Polizei, sondern auch Verfassungsschutz, Bundesnachrichtendienst, Militärischer Abschirmdienst und Zollkriminalamt die gesammelten Verbindungs-, Nutzungs-, Bestands- und Abrechnungsdaten von Millionen Bürgern nutzen können.

Für welchen Zeitraum die Provider die Daten speichern müssen, soll nicht der Gesetzgeber, sondern die Exekutive per Rechtsverordnung festlegen können. Dies allein verstoße jedoch, betont Bäumler, "gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz, wonach die wesentlichen Entscheidungen über Grundrechtseingriffe dem Parlament vorbehalten sind". Er erinnert daran, dass erst kürzlich die Grundsätze der Datenvermeidung, Datensparsamkeit und der Möglichkeit anonymer Nutzungen für das Internet im Elektronischen Geschäftsverkehr-Gesetz (EGG) vom Gesetzgeber ausdrücklich bestätigt wurden. Mit dem jetzt vorgestellten Gesetz würde jedoch das bisherige Teledienstedatenschutzrecht auf den Kopf gestellt.

Weichert kritisiert, dass durch diese "weit gehende Abschaffung des Datenschutzes" die Expansionsbestrebungen von Verwaltung und Wirtschaft im Internet sabotiert würden: "Welcher Bürger wird E-Government-Angebote nutzen, wenn er befürchten muss, dass selbst das Herunterladen eines Behördenformulars registriert und ausgewertet wird?" Weichert kritisiert den Bundesratsvorstoß unter dem Vorzeichen der Bekämpfung des Kindermissbrauchs als "skrupellosen Umgang mit unseren Grundrechten in der Informationsgesellschaft". Kindermissbrauch sei ein widerliches Verbrechen, das mit geeigneten und verhältnismäßigen Mitteln aufgeklärt und bekämpft werden muss. Die Vorratsdatenspeicherung gehöre dazu nicht. (Christiane Schulzki-Haddouti) / (jk)