OSZE möchte Meinungs- und Pressefreiheit im Internet sichern

Nach dem Ende des Kalten Krieges sucht die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) neue Aufgabenfelder.

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Von
  • Detlef Borchers

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) ist ein Zusammenschluss von 55 europäischen und osteuropäischen Staaten plus Kanada und den USA mit der Aufgabe, Konflikte zu verhindern und Streitigekeiten zu schlichten. Als blockübergreifende Organisation im Kalten Krieg Anfang der 70er-Jahre gegründet, kümmert sich die OSZE im "Geist von Helsinki" (Öffnung des Ostblocks) heute vor allem um die Wahrung der Menschenrechte und den Schutz nationaler Minderheiten.

In Rahmen dieser Zielsetzung gehört die Beobachtung der Meinungs- und Pressefreiheit zu den Aufgaben der OSZE. Seit Dezember 1997 bearbeitet der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Freimut Duve als OSCE Representative on Freedom of the Media diesen Bereich. Sein Büro veranstaltete in Amsterdam eine Conference on Freedom of the Media and the Internet. Etwa 25 Referenten versuchten sich zwei Tage lang an einer Bestandsaufnahme, wie es um die Meinungsfreiheit im Internet bestellt ist. Die Spannbreite der Referate reichte von allgemeinen Statements zur Demokratie und "Hate Speech", zum Stand des Journalismus bis hin zu detaillierten Berichten über Zensurmaßnahmen in den einzelnen Staaten.

Insgesamt stand die Technik eher im Hintergrund. Ausnahmen bildeten Referate wie das von Benjamin Edelman, der darüber referierte, wie verschiedene Staaten missliebige Inhalte vor ihren Bürgern wegfiltern. Auch Andy Müller-Maguhn vom Chaos Computer Club akzentuierte technische Aspekte, die in politische Sachverhalte durchschlagen. Er schilderte die Arbeit der ICANN oder die Funktionsweise der Dispute Resolution Policy bei strittigen Domain Names. Müller-Maguhn versuchte, den Konferenzteilnehmern zu zeigen, wie über vorgeblich technische Entscheidungen amerikanische Interessen durchgesetzt werden, und bewegte sich auf der Linie der Kritik, die dieser Tage im kanadischen Toronto Star für Aufsehen gesorgt hatte. Demgegenüber zeichnete das Referat des Medienrechtlers Pall Thorhallson vom europäischen Rat ein rosiges Bild der europäischen Zustände, in denen nicht gefiltert und blockiert werde und in denen keine Internet-Aktivitäten überwacht würden. Schließlich widerspricht solches Tun der Erklärung zur Freiheit der Kommunikation im Internet, die vom europäischen Ministerrat auf seiner 840. Sitzung am 28. Mai 2003 verabschiedet worden waren.

Weil Resolutionen so wohlklingend sind, verabschiedeten die Teilnehmer um guten Schluss eine "Amsterdamer Empfehlung" der OSZE, die in 14 Punkten bunt mischte, was auf der Tagung zur Sprache gekommen war – oder auch nicht. So verurteilt die Empfehlung neue Entwicklungen im Patent- und Copyright-Recht, die die "kostenlose Infrastruktur" des Internet bedrohen würden, ohne dass dieses Thema auf der Konferenz eine Rolle gespielt hatte. In den übrigen Punkten spricht sich die Amsterdamer Empfehlung für den allgemeinen, barrierelosen Internet-Zugang zu allen Informationen ohne jegliche Blockade oder Filterung aus, bejaht aber eine Strafverfolgung von "illegalen Inhalten". Gefordert wird eine bessere Internet-Erziehung für Kinder und Journalisten sowie die Einhaltung von professionellen journalistischen Standards, die die Meinungsfreiheiten im Internet sichern sollen.

Ob diese Mixtur ausreicht, die Rolle der OSZE im Internet markant zu gestalten, darf bezweifelt werden. Gut möglich, dass die Rolle eines Schlichters und Vermittlers, mit der die OSZE im Kalten Krieg groß geworden ist, in den kommenden Auseinandersetzungen um die Zukunft des Internet gefragt ist. Dafür braucht die Organisation mehr als eine alles umfassende Empfehlung. (Detlef Borchers) / (mw)