Süßwarenkonzern will "Kinder"-Domain freiklagen
Der österreichische Ferrero-Zweig hat die Betreiber von "Kinder.at" verklagt, weil eine Verwechslungsgefahr mit markenrechtlich geschützten Süßwaren bestehe.
Der österreichische Zweig des Süßwarenkonzerns Ferrero hat die Web-Agentur Mediaclan, Betreiberin von Kinder.at, auf Überlassung der Domain verklagt. Das berichten die österreichischen Zeitungen Der Standard und Kurier übereinstimmend. Die Agentur, die auf ihrer vor rund zwei Jahren angemeldeten Domain nach eigenen Angaben den Aufbau eines Portals für Eltern und Kinder zu Erziehungsthemen plant, will nicht nachgeben, sondern den Streit vor Gericht ausfechten.
Ferrero sieht in der Domain einen Verstoß gegen das Markenrecht und verweist in der Klageschrift auf eingetragene Wortbildmarken des Konzerns, etwa zu "Kinder-Schokolade", "Kinder-Überraschung" und weiteren Produkten der gleichen Familie, von denen einige bereits seit 1969 bestehen. Den Streitwert haben die Ferrero-Anwälte auf 500.000 Schilling (entspricht etwa 71.000 Mark) festgesetzt.
Unter Bezugnahme auf ein Urteil des österreichischen obersten Gerichtshofs (OGH) führt Ferrero aus, dass auch ein "Unternehmenshinweis" wie ein Firmenname, eine Faxadresse oder eben eine Domainbezeichnung eine Marke verletzen könnte, sofern Konsumenten mit dem betreffenden Wort automatisch ein bestimmtes Unternehmen in Zusammenhang brächten. Das gelte auch dann, wenn es sich dabei um Wörter aus der Umgangssprache handle. Aus demselben Grund sei es auch nicht statthaft, etwa ein Unternehmen "Kinder GmbH" zu nennen. Michael Eisenriegler, Geschäftsführer der Mediaclan-Agentur, erwidert dem gegenüber, er habe beim Registrieren seiner Domain unter dem Stichwort "Kinder" eigentlich an junge Menschen gedacht und nicht an Schokolade.
Als Beleg für den allgemeinen Verkehrswert der "Kinder"-Marken führen die Ferrero-Anwälte unter anderem eine Studie von 1994 an, bei der gut 80 Prozent der Befragten die Assoziation zwischen dem Begriff "Kinder" und der Produktfamilie des Süßwarenkonzerns logisch gefunden hätten. "Der Standard" weist allerdings darauf hin, dass in der genannten Studie explizit nach der Bekanntheit von Süßwarenmarkennamen gefragt worden sei, etwa "Kennen Sie Schokolade mit dem Namen 'Kinder'?"
Mancher mag sich fragen, was in aller Welt die streitbaren Süßwarenvermarkter in der Alpenrepublik denn mit der beanspruchten Domain überhaupt anfangen wollen, da ihnen bislang ganz offensichtlich zu ihrer Web-Präsenz, die unter dem Konzernnamen läuft, noch nichts eingefallen zu sein scheint. Lediglich die Überraschungseier und das Produkt Nutella unterstützen sie im Web.
Nach österreichischem wie auch deutschem Recht ist die Verwendung einer geschützten Markenbezeichnung ohne Erlaubnis des Markeninhabers nicht zulässig – der Markeninhaber kann Unterlassung verlangen. Das Betreiben einer Website mit einem Domainnamen, der eine geschützte Markenbezeichnung enthält, würde als "Verwendung" in diesem Sinne gelten. Allerdings kann der Begriff "Kinder" allein nicht als (Wort-)Marke geschützt sein – im Gegensatz zu Kombinationen wie "Kinder-Schokolade" oder auch "Kinder-Überraschung", die durchaus schutzfähig sind. Der österreichische Ferrero-Zweig macht einen Schutzanspruch aufgrund seiner Wortbildmarken geltend – ein solcher Markenschutz betrifft aber immer die Kombination eines Begriffs mit einer bestimmten Art von Gestaltung, etwa einem Logo, einer Farbkombination oder einer grafischen Darstellung.
Es ist sehr fraglich, ob Ferrero bloß mit dem Argument, dass allein das Allerweltswort "Kinder" als Domainname eine Verwechslungsgefahr mit dem Bestandteil einer Wortbildmarke heraufbeschwört, vor irgendeinem Gericht die besagte Domain mit Erfolg freiklagen und für sich beanspruchen könnte.
Nach deutschem Recht würde sich für den Betreiber einer solchen Domain hingegen eine andere Frage stellen, nämlich die nach einem "Freihaltebedürfnis" für beschreibende Allgemeinbegriffe, wie es von verschiedenen Gerichten etwa für "Rechtsanwaelte.de" oder auch "Mitwohnzentrale.de" ausgesprochen worden ist – mit der Begründung, dass eine Eingabe eines solchen Begriffs im Web-Browser den unbedarften Surfer automatisch nur zu der Site des betreffenden Domaininhabers führt, somit die Surferströme auf ungerechtfertigte Weise kanalisiert und alle anderen Online-Angebote, deren Betreiber ein gleichberechtigtes Interesse an dem entsprechenden Leitbegriff haben würden, außen vor lässt. Domainnamen sind im Gegensatz etwa zu Ladenbenennungen exklusiv – es kann sie nur einmal geben. Wenn man die gleichen Argumente auch für den Begriff "Kinder" geltend machen wollte, dürfte die Domain nicht genutzt werden – allerdings hätte dann auch Ferrero kein Recht darauf. Nun ist allerdings der Begriff "Kinder" im Unterschied zu den gerichtlich für "freihaltebedürftig" erklärten Domainnamen keine Branchenbezeichnung, sodass die oben wiedergegebene Logik sich hier kaum anwenden ließe.
Trotz allem tun wohl auch Betreiber von Domains wie Kinder.de (Web-Magazin rund um Erziehung, Schwangerschaft, Gesundheit und andere nachwuchsbezogene Themen) oder auch Kinder.ch (Informationen einer logopädischen Praxis über Therapie an kleinen Kindern) gut daran, sich künftig auf juristischen Ärger einzustellen – dienstbereite Advokaten, die gern mal eine Klage in einer markenrechtlichen Sache mit hohem Streitwert vertreten, finden sich überall. Bekanntermaßen lässt auch das deutsche Markenrecht in einer breiten Unsicherheitszone hinreichend viele Fragen offen, was gerichtlichen Auseinandersetzungen jede Menge Raum gibt. Vor Begehrlichkeiten der beschriebenen Art kann man sich auch dadurch nicht schützen, dass man noch so sinnvolle Inhalte mit noch so starkem Kinderbezug im Netz vermitteln möchte. (psz)