Zoff ums Herz des deutschen Internet

Eine Providergruppe will den DE-CIX unter eigener Verwaltung wissen. Der jetzige Betreiber eco macht sich dagegen Sorgen um die Stabilität und Neutralität des zentralen deutschen Datenknotens.

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15 Mitglieder des Arbeitskreises DE-CIX, zu dem sich die momentan gut 115 Mitgliedsfirmen des zentralen deutschen Datenaustauschpunkts zusammengeschlossen haben, planen den Aufstand: Sie haben einen "offenen Brief" an den Vorstand des eco Forums geschickt, das seit Mitte der 90er Jahre den in Frankfurt angesiedelten Peering-Point verwaltet. In dem Schreiben, das heise online vorliegt, fordern sie die "Schaffung einer dezidierten, wirtschaftlich abgegrenzten Betriebseinheit" für den DE-CIX in Form einer eigenen GmbH mit einem gesonderten Kontrollgremium. Dies sei "essenziell zur weiteren Professionalisierung des DE-CIXs-Betriebes". Die Unterzeichner des nicht persönlich unterschriebenen Briefs, zu denen Unternehmen wie Arcor, Colt Telecom, EDS Deutschland, MCI, Schlund+Partner oder Global Access gehören, fordern den eco-Vorstand auf, eine entsprechende Gesellschaft bis zum November ins Leben zu rufen, "um Schaden vom De-CIX" abzuwenden.

Mit dem Vorstoß der "Spalter", den der Netzwerkmanager von Colt Telecom, Frank Hoffmeister, "überbracht" hat, eskaliert ein lange schwelender Streit zwischen einer Reihe von Technikern im DE-CIX-Arbeitskreis und den Betriebswirtschaftlern und Juristen in der eco-Führung. "Schon vor drei Jahren stand zur Diskussion, das operative Geschäft rund um den Peering-Point auszuklammern und die Geldflüsse von der restlichen Verbandsarbeit zu trennen", erklärte Harald Summa, Geschäftsführer des eco-Vereins, gegenüber heise online. Der "Verband der deutschen Internetwirtschaft" hatte dem prinzipiell zugestimmt. Über die in den Folgejahren vorgelegten unterschiedlichsten GmbH-Modelle konnten sich der Arbeitskreis, der sich laut Summa verstärkt als "Verein im Verein" sah, und die eco-Führung jedoch nie einigen.

Als Knackpunkt erwies sich regelmäßig, dass die eine Seite alle wirtschaftlichen Aktivitäten von eco in die neue Gesellschaft einbringen wollte, während die Crew der Unzufriedenen den DE-CIX auf vollkommen eigene Beine stellen wollte. Das eco-Forum finanziert als Verband auch Lobbying-Aktivitäten, etwa im Kampf gegen Spam oder beim Abfedern von Auflagen zur Überwachung der Surfer oder zum Jugendschutz. Davon -- und von der Mitgliedschaft im eco allgemein -- versprechen sich die Techniker anscheinend aber wenig Abhilfe. Ihr Primat ist die Kostensenkung, obwohl der DE-CIX als Europas zweitgrößter Peering-Point bereits die niedrigsten Preise aller nationalen Datenknoten bietet.

Hinter der Hand haben die "aufständischen" Provider, deren Anführer bei amerikanischen Unternehmen beschäftigt sind, inzwischen sogar gedroht, einen eigenen Peering-Point neben dem DE-CIX aufzumachen. "Da kriege ich eine Gänsehaut", läuft es Summa angesichts solcher Pläne kalt den Rücken hinunter. Eine solche Aktion würde "zehn Jahre" intensiver Arbeit an der Infrastruktur des deutschen Internet zunichte machen. Den unterschwellig erhobenen Vorwurf der Intransparenz der Geschäftsführung bei eco will sich der Manager nicht gefallen lassen: "Wir haben Steuer-, Wirtschafts- und Kassenprüfer -- alles ist offen einsehbar." Bislang hätte sich niemand von den Protestlern die Mühe gemacht, einen Blick in die Bücher zu werfen.

Die Frontlinien verhärtet hat die Tatsache, dass eco Anfang des Jahres nach dem Scheitern der bisherigen Verhandlungen selbst bereits eine GmbH für den DE-CIX ins Leben gerufen hat. "Wir befanden uns in einem operativen Vakuum", begründet Summa den Schritt, der mit der Mitgliederversammlung abgesprochen worden sei. Der deutsche Knotenpunkt, durch den momentan in Spitzenzeiten bis zu 16 Gigabit Daten in der Sekunde geschaufelt werden, "müsse heftig aufrüsten" und dies bedürfe "großer Investitionen". Die Rädelsführer des DE-CIX-Arbeitskreises sprechen dagegen von einer "einseitigen" Maßnahme. Auf der Mitgliederversammlung des eco-Forums Anfang Juli in Berlin versuchte Hoffmeister, der gegenüber heise online keine Stellungnahme zu dem offenen Brief abgeben wollte, zwei Anhänger seines "Reformvorhabens" daher mehr oder weniger spontan in den Vorstand des Verbands wählen zu lassen. Da das Begehren jedoch nicht -- wie von den Vereinsstatuten gefordert -- zwei Wochen vorher eingereicht wurde, wurde es mehrheitlich abgelehnt.

Der Streit hat inzwischen absurde Züge angenommen, da Hoffmeister am gestrigen Montag auf der Mailingliste des DE-CIX-Arbeitskreises den "offenen Brief" zu einem nur an den eco-Vorstand gerichteten Schreiben umdeklarierte. Die Presse möge doch bitte nur dann informiert werden, wenn es die Unterzeichner für richtig befänden. Ein Vorstandsmitglied von eco wunderte sich daraufhin auf dem E-Mail- Verteiler, dass eine offensichtlich mit auf die Öffentlichkeit schielende Epistel nicht mehr an dieselbe gelangen sollte. "Der offene Brief war eigentlich überflüssig", konstatiert auch Summa gegenüber heise online. Er baut nun trotz der Spannungen auf ein konstruktives Gespräch, zu dem sich beide Seiten Ende September verabredet haben: "Da bringen wir die Kuh hoffentlich vom Eis." (Stefan Krempl) / (uma)