IFA

Medienhüter feiern DVB-T in Berlin als vollen Erfolg

Nach der halbjährigen Umstellungsphase auf den digitalen Antennenfunk sind bereits 170.000 Set-Top-Boxen für das "ÜberallFernsehen" DVB-T verkauft worden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 74 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von

Für Hans Hege, den Chef der Medienanstalt Berlin Brandenburg (mabb), ist die Einführung des digitalen Antennenfunks in der Hauptstadt und ihrem Umland aus Sicht der Zuschauer ein voller Erfolg. "Die Verbraucher akzeptieren DVB-T", gab der Direktor der Anstalt am heutigen Mittwoch auf dem im Vorfeld der Internationalen Funkausstellung 2003 stattfindenden Medienforum Berlin-Brandenburg bekannt. Bis Anfang August, als die mabb die analoge Übertragung in Berlin endgültig abstellte, seien bereits über 170.000 der zum Empfang von DVB-T (Digital Video Broadcasting Terrestrial) benötigten Set-Top-Boxen verkauft worden. "Wir hatten mit weniger gerechnet", freute sich Hege, da im vergangenen Jahr nur noch etwa 150.000 Berliner und Brandenburger über die Antenne in die Röhre schauten. Die Proteste in der heißen Umstellungsphase während des vergangenen halben Jahres seien "erstaunlich gering" gewesen, und dies just in Berlin, "wo doch immer gemeckert wird".

Eine abschließende Auswertung des Projekts und seiner Akzeptanz hält der mabb-Direktor frühestens in zwei bis drei Jahren für möglich. Keiner könne heute sagen, ob DVB-T in Berlin bald einen weiteren Boom erlebe, falls beispielsweise "die Kabelbetreiber die Preise erhöhen". Schon jetzt lasse sich aber sagen, dass die Zuschauer, die über Antenne fernschauen, jünger sind als vor der Digitalisierung. Zudem rekrutiere sich die Anhängerschaft von DVB-T zu 25 Prozent aus der bisherigen Kabelkundschaft. Insofern erhöhe die neue Technik den Wettbewerb zwischen der Antenne, dem Kabel und dem Satellit, was den Konsumenten nur recht sein könne. Aber auch die Programmanbieter, für die sich kein sofortiger Rückfluss der Investitionen etwa durch höhere Werbeeinnahmen ergebe, könnten sich nun in besseren Verhandlungspositionen mit Kabelbetreibern sehen.

Kritiker von DVB-T bezweifeln, ob die Vorteile auf Dauer den kostspieligen Betrieb der terrestrischen Ausstrahlung rechtfertigen. "Bisher kostet die Versorgung etwa 300 Millionen Euro im Jahr", bezifferte Hege die harten Zahlen für den Antennenfunk. Das sei mehr, als für den öffentlichen Rundfunk in Berlin und Brandenburg ausgegeben werde. Eine Einstellung des Projekts sei daher theoretisch möglich. Dazu müssten dem Rundfunk-Staatsvertrag zufolge aber ernsthafte Alternativen zur Versorgung der Bevölkerung bestehen. Und die dürften sich, so Hege, nicht auf das Kabel beschränken. Zudem würde es gar keine Innovationen mehr geben, "wenn sich alles sofort rechnen muss".

Die Kosten für die sechsmonatige Umstellungs- und die Vorbereitungsphase selbst sind nach dem mabb-Direktor hinter den Hochrechnungen geblieben. "Wir haben rund eine Million Euro für Werbung ausgegeben", erläuterte Hege, dessen Anstalt für DVB-T vor zwei Jahren den Begriff "ÜberallFernsehen" einführte. Um Sozialhilfeempfängern die Ausrüstung mit den digitalen Boxen zu ermöglichen, seien noch einmal 500.000 Euro draufgegangen -- statt der erwarteten einen Million. Die Hauptkosten für die mabb lagen in der Anschubfinanzierung für die Sender in der Umstiegsphase, in der die Medienanstalt pro Programm im Jahr etwa 65.000 Euro zuschießt. Da läppert sich bei den empfangbaren 25 Sendern einiges zusammen. Als nicht realisierbar hatte sich der Aufbau von vier Ausstrahlungsstandorten herausgestellt. Hier seien zwei übrig geblieben, so Hege, sodass eine Totalversorgung des Ballungsraums nicht gegeben sei. Die Leistungsstärke der verbliebenen Sender hätte man trotzdem im Vergleich zum analogen Betrieb herunterfahren können, sodass in Berlin entgegen der Behauptungen der Kabelwirtschaft niemand elektromagnetisch gegrillt werde.

Die Zukunft von DVB-T sieht Hege rosig. Auf der IFA seien die ersten portablen Empfangsgeräte zu bewundern, was zusammen mit dem Vormarsch von Flachbildschirmen und Empfangskarten für Laptops neue Nutzergruppen erschließe. Zudem würden die Set-Top-Boxen, die momentan als "TV-only"-Receiver ohne Schnickschnack rund 100 Euro kosten, verstärkt mit Festplatten und MHP-Funktionen ausgerüstet. (Stefan Krempl) / (vza)