IFA

Runder Tisch soll die Digitalisierung des TV-Kabels richten

Mit dem Erfolg des digitalen Fernsehfunks über Antenne und Satellit kommen die Netzbetreiber und Programmanbieter bei der brach liegenden Kommunikationsinfrastruktur Kabel in Zugzwang.

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Eigentlich sind alle seit Jahren für die Digitalisierung des TV-Kabels: Die Landesmedienanstalten und die Politiker hoffen auf mehr Vielfalt im TV-Markt und mehr Wettbewerb auf dem Sektor der Verbreitungswege, die Netzbetreiber erwarten das große Geschäft und die öffentlich-rechtlichen sowie die privaten Programmanbieter haben sich im Grunde längst für das neue, mehr Interaktion ermöglichende Fernsehzeitalter erwärmt. Doch da gebe es ein großes Aber, skizzierte Christoph Wagner, Rechtsanwalt bei Hogan & Hartson Raue LLP in Berlin, die Misere der wichtigsten Kommunikationsinfrastruktur nach dem Telefonnetz am gestrigen Mittwoch auf dem Medienforum Berlin Brandenburg im Vorfeld der IFA: "Das alles darf nicht mehr kosten, und die Anbieter wollen keine Werbeverluste hinnehmen". So würden sich die vielen Mitspracheberechtigten, deren Phalanx durch die Wohnungswirtschaft sowie die Regulierer bei Bund und Ländern noch vergrößert werde, auch nach dem Abtauchen des Schreckgespensts John Malone in den Haaren liegen.

Ein runder Tisch dränge sich daher förmlich auf, konstatierte Wagner, um das gordische Strippengewirr zu zerschlagen. Der Leidensdruck ist auf allen Seiten tatsächlich inzwischen so groß, dass überall Bereitschaft zum Führen von "Konsensgesprächen" signalisiert wird. Eine "rasche und schnelle Digitalisierung" sei notwendig, erklärte beispielsweise Rüttger Keienburg, Alt-Veterane unter den deutschen Strippenziehern und Chief Operating Officer (COO) bei der Kabel Deutschland GmbH, die das Netz nach dem Verkauf durch die Deutsche Telekom im Januar in 13 Bundesländern betreibt. Die mit einem Zehn-Jahres-Plan angetretenen Investoren, die nun hinter der Gesellschaft stehen, würden Geld in Technik, Produkte sowie das Personal stecken. Vertreter vor der öffentlich-rechtlichen Programmanbieter beeilten sich ferner zu bestätigen, dass sie nach wie vor "unerschütterliche Digitalisierungsoptimisten" seien.

Unter Zugzwang steht die Kabelbranche durch Anfangserfolge beim digitalen terretrischen Antennenfunk DVB-T und die fortschreitende Digitalisierung der Satelliten-Übertragung. "Wenn es in drei Jahren acht bis zehn Millionen digitale Satellitenkunden gibt, gilt ein analoges Programm als zweite Klasse", prognostizierte Franz Arnold, Berater des im Februar aus der Taufe gehobenen Deutschen Kabelverbands. Die bessere Bildqualität, die Möglichkeit, das Programm in der gesendeten Qualität auf Harddisk aufzuzeichnen oder die elektronischen Programmführer (EPGs) seien Zugpferde der Digitalisierung im Satellitenmarkt.

Damit allein könne man aber nur Freaks bewegen, sich eine teure Zusatzbox für das digitale Kabelfernsehen zu kaufen, fürchtet Jürgen Doetz, Präsident des Verbands Privater Rundfunk und Telekommunikation (VPRT). Viel wichtiger seien neue Inhalte mit digitalem Zusatznutzen. Da die privaten Anbieter aber kein Geld hätten, diese zu entwickeln, hofft Doetz auf staatliche Finanzspritzen: Solle der "digitale Ruck" durch Deutschland gehen, bräuchten die Privatsender für die Arbeit an Applikationen für MHP (Multimedia Home Platform) und Co. "mindestens den Topf, den ARD und ZDF zur Verfügung haben." Sonst bleibe alles bei interaktiven Pilotprojekten, wie sie etwa ProSiebenSat.1 mal wieder zur IFA im Shopping-Bereich anbietet. Bei einem Runden Tisch müsste zudem alle Beteiligten "ein Bündel an Selbstverpflichtungen" unterschreiben. Zudem sollten in einem neuen Staatsvertrag die ewigen Debatten über die Unterschiede zwischen "Mediendiensten und Rundfunk" ad acta gelegt werden.

Auch wenn in diesen Punkten ein Konsens noch in weiter Ferne liegt, sind sich die Akteure im Kabelsektor zumindest inzwischen einig, dass die Frage der Ausrüstung -- und damit des Preises -- der Set-Top-Boxen dem Markt überlassen werden soll. "Wir brauchen eine Boxenfamilie", forderte Karola Wille, Juristische Direktorin beim MDR, in Berlin, die sowohl reine Zapping-Kisten als auch "Mehrkönner" mit MHP an Bord umfasse. Den Einstiegspreis für einen Decoder sieht Keienburg zwischen 60 und 70 Euro. Das zugehörige Startpaket an Inhalten, das Kabel Deutschland in Kürze schnüren will, werde "ein bis zwei Euro" zusätzlich im Monat kosten und dafür 12 bis 14 weitere Programme bieten, die auch zeitversetzt zu sehen seien. Bei allen weiteren interaktiven Angeboten wie MHP müsse der Markt die treibende Kraft sein.

Demgemäß ist von flächendeckenden Breitband-Internetzugängen über das TV-Kabel, die von den Betreibern auf der IFA vor zwei Jahren noch lautstark versprochen wurden, bei Kabel Deutschland nicht mehr die Rede. Zunächst werde man in dem durch die Malone-Verhandlungen ins Stocken gekommenen Pilotprojekt in Berlin sowie neuen Testgebieten in München oder Rostock prüfen, so Keienburg, inwieweit "mit solchen Diensten Geld zu verdienen ist". (Stefan Krempl) / (vza)