Patriotisches Grid gegen Pocken

Mit einem neuen Distributed-Computing-Projekt will die US-Armee potenzielle Impfstoffe für Pocken ausfindig machen.

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Von
  • Wolfgang Stieler

Mit einem neuen Distributed-Computing-Projekt will die US-Armee potenzielle Impfstoffe für Pocken ausfindig machen. Unterstützt wird das Smallpox Research Grid Project im Rahmen des Patriotic Grid von UnitedDevices, IBM, Accelrys und Evotec OAI.

Die Software LigandFit berechnet die Wechselwirkungsenergie zwischen dem potenziellen Medikament –- einem Enzym, das verhindern soll, dass das Virus seine DNA in eine befallene Zelle einschleust –- und dem molekularen Gegenstück im Virus. Das Smallpox Research Grid Project wurde initiiert vom United States Army Medical Research Institute of Infectious Diseases und wird unterstützt von Wissenschaftlern aus Oxford, den Essex Universities, dem Robarts Research Institute, dem Sloan-Kettering Cancer Center und der University of Western Ontario. Nach dem Anthrax-Projekt sollen nun bereits zum zweiten Mal Freiwillige ungenutzte Rechenzeit für den Kampf gegen "die Bedrohung des Bioterrorismus" spenden.

Die Pocken gelten seit den siebziger Jahren durch eine globale Kampagne als ausgerottet. Sämtliche weltweit vorhandenen Erregerbestände sollten nach einem im Dezember 1979 beschlossenen weltweiten Abkommen entweder vernichtet oder zwei Sicherheitslaboratorien -– eines in den USA und eines in Russland –- übergeben werden. Ob und wann diese Restbestände endgültig vernichtet werden sollen, ist regelmäßig Gegenstand einer intensiven Debatte in der Weltgesundheitsorganisation. Zuletzt hatte die WHO 2002 für weitere drei Jahre zusätzliche Forschungsarbeiten an den Viren genehmigt.

Wie viele Nationen oder Organisationen darüber hinaus über Pocken-Viren verfügen, ist nicht bekannt. Ein Versuch der UN, ein wirksames Protokoll zur Überprüfung der weltweiten Ächtung von Biowaffen zu implementieren, ist nach Angaben der Federation of American Scientists insbesondere am Widerstand der US-Regierung gescheitert.

Die Krankheit verläuft in etwa 30 Prozent aller Fälle tödlich. Zwar existiert ein Serum für Schutzimpfungen, eine vorbeugende Impfung der breiten Bevölkerung wird aber wegen der starken Nebenwirkungen von Experten abgelehnt. Gegenmittel gegen die Krankheit sind bislang nicht bekannt. Wie viele Opfer eine Bioterror-Attacke mit Pocken-Erregern tatsächlich kosten würde, lässt sich allerdings nur schwer abschätzen. In dem Übungsszenario Dark Winter sind Experten der John Hopkins University 2001 davon ausgegangen, dass es anderthalb Monate nach Beginn des Szenarios, bei dem 3000 Personen infiziert wurden, drei Millionen Tote geben dürfte.

Eine umstrittene Zahl bei solchen Modellrechnungen ist jedoch die mittlere Reproduktionszahl R0, die angibt, wie viele sekundäre Infektionen im Schnitt von einer bereits infizierten Pesonen ausgelöst werden. Liegt die Zahl in der Größenordnung von 10, wird die Krankheit zur Massenepidemie; liegt sie bei 1, stirbt die Infektion nach einiger Zeit wieder aus. Aus den vorliegenden wissenschaftlichen Publikationen ergeben sich sehr unterschiedliche Ergebnisse. Das Spektrum reicht von 2 bis 10, die meisten Ergebnisse liegen zwischen 3 und 5. (wst)