Forscher formulieren "Megatrends" der Netz-Gesellschaft

Das Internet der Zukunft wird smart, mobil und intuitiv bedienbar, prognostizieren Spitzenforscher aus Wissenschaft und Wirtschaft.

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Das Internet der Zukunft wird smart, mobil und intuitiv bedienbar, prognostizieren Spitzenforscher aus Wissenschaft und Wirtschaft.

Dem Ende des Börsenhype rund um die New Economy zum Trotz: "Bei systematischer Entwicklung werden Internet-basierte Anwendungen weiter eine breite und ständig wachsende Nutzung erfahren", ist sich Claus Weyrich, Forschungsvorstand bei Siemens, sicher. Das Internet bilde einen wesentlichen Pfeiler für die weitere Entwicklung der Gesellschaft, für technische Innovation und für die industrielle Wertschöpfung. Deutschland könne in diesem Prozess -- mit einer stärker fokussierten und erfolgsorientierten Forschungsförderung -- Spitzenpositionen besetzen. Weyrich stützt seine Aussagen auf die Ergebnisse der mehrjährigen Trendanalyse des "Feldafinger Kreises", die die Gruppe von Spitzenforschern aus dem Umkreis des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) sowie der Fraunhofer Gesellschaft (FhG) am heutigen Mittwoch in Berlin präsentierte.

Geht es nach den Fachgrößen und ihren acht, in einem Symposium mit 300 weiteren Forschern aus Wissenschaft und Wirtschaft vertieften "Megatrends", wird das Netz der Zukunft dank eigener, "ontologischer" Beschreibungssprachen wie XML und OWL sowie intelligenten Agenten deutlich smarter sein als das heutige mit seinen "blinden" Verweisungen. Voraussetzung seien dafür "Sicherheit, Quality of Service und Zuverlässigkeit". Eine wichtige Rolle sollen ferner mobile Anwendungen spielen. Software werde immer enger in Alltagsprodukte integriert.

Keine Frage ist es zudem für den Kreis, der seinen Namen von seinem ersten Tagungsort in einem Siemens-Gebäude am Starnberger See ableitet, "dass Medien wie das Telefon oder das Fernsehen mit dem Internet verschmelzen". Gleichzeitig werde die Bedienung des Hypermediums einfacher. Letztlich führe die Bündelung von Internettechniken zu neuen Prozessen, sodass Schlagworte wie E-Business, E-Government oder E-Health mit Leben gefüllt würden. Eine besondere Entwicklungskraft komme dem Netz im (Weiter-)Bildungssystem zu.

Hauptsächliches Ziel der Initiative war es, nach der Identifizierung der Trends diese hinsichtlich Anwendungsreife und der deutschen Wettbewerbsposition im Vergleich zu den USA, Japan und Südostasien zu beurteilen. Die besten Chancen für Deutschland sehen die Experten im Bereich mobiles Internet und UMTS. "Ortsbezogene Dienste" würden die Einkaufsliste des Nutzers mit den Angeboten der Geschäfte beim Bummeln synchronisieren und gegebenenfalls "Alarm" schlagen, schwärmte Wolfgang Wahlster vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz . Aktuell bestehe aber ein großer Mangel an UMTS-Endgeräten in Forschungseinrichtungen, was die Entwicklung von Anwendungen behindere.

Stark sei die Industrie hierzulande bereits bei integrierten Softwaresystemen, die nicht nur in Alltagsgeräte einbezögen. "Hier zeichnet sich ein hohes Wertschöpfungspotenzial ab, und zwar nicht in der New Economy, sondern im Maschinenbau und in der Autoproduktion", sagte Wahlster. In diesem Embedded-Sektor sieht auch Wolf-Dieter Lukas, Leiter der IT-Förderabteilung im Bundesforschungsministerium, einen Schwerpunkt -- insbesondere im Zusammenhang mit mehr Sicherheit: "Wir müssen zu einer ingenieursmäßigen Herstellung von Software kommen", schwebt dem Beamten vor.

Eine gute Position haben deutsche Institute laut Wahlster schließlich bei der Forschung zur intuitiveren Bedienbarkeit von Rechnertechniken. So gebe es ein deutsches Patent für eine Call-Center-Technik, dank der ein stark verärgerter Anrufer über sein mit einer Kamera ausgerüstetes Handy sofort erkannt und nicht erst an einen maschinellen "Gesprächspartner" weitergeleitet werde. Bald könne man aber eh nicht mehr unterscheiden, glaubt Weyrich, ob man mit einem menschlichen Gegenüber oder einer Maschine rede.

Grundvoraussetzung für die schöne neue Internetzukunft ist dem Zirkel zufolge eine gut ausgebaute Infrastruktur. Trotz der raschen Verbreitung von DSL-Techniken und guten Startvoraussetzungen bei UMTS sehen die Forscher da noch "erhebliche Engpässe". Die im Bild-Ton-Bereich interessanten "konvergenten" Anwendungen erforderten die "flächendeckende Bereitstellung höchstratiger Teilnehmerzugangssysteme" mit Geschwindigkeiten bis zu 100 MBit/s.

Die Industrie hofft nun, dass die Regierung die entsprechenden Forschungsprogramme wie "IT 2006" in den entsprechenden Segmenten deutlich ausbaut. Staatssekretär Wolf-Dieter Dudenhausen aus dem Forschungsministerium signalisierte, die "Technologie-Abteilung stärker auf Wachstum und Beschäftigung" trimmen zu wollen. Sein Haus habe die Notwendigkeit einer auf die Praxis bezogenen Förderung der Internet-Ökonomie erkannt. "Wir werden unseren Sozialstaat nicht sichern können, wenn uns nicht Qualitätssprünge über IT-Anwendungen gelingen", so der Regierungsvertreter. Er kündigte ein neues Programm "Wissenschaft 2006" an, das in den kommenden Monaten vorgestellt werden soll. (Stefan Krempl). / (wst)