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mehr als 1000 BeitrÀge seit 07.01.2000

Umfrage ist manipulativ: statt "DRM: ja oder nein" wird gefragt: "DRM: wie"

Die Umfrage ist deutlich manipulativ: Akzeptanz gegenĂŒber DRM wird
stillschweigend vorausgesetzt, eine DRM grundsĂ€tzlich ablehnende
Position (und damit m. E. die Mehrheitsmeinung) ist teilweise gar
nicht auszudrĂŒcken (vgl. Seite 6) oder wird extrem erschwert (vgl.
Seite 4).

Es ist in der Psychologie ein alter Hut, dass bei Umfragen mit
"Bewerten Sie von X bis Y"-Fragen ein extremer Drang besteht,
"mittig" zu antworten.
   Wenn gefragt wird, ob etwas "'hervorragend', 'sehr gut', 'gut'
oder 'schlecht'" ist, wird das Ergebnis wesentlich besser ausfallen,
als wenn gefragt wird, ob etwas "'gut', 'schlecht', 'sehr schlecht'
oder 'miserabel'" ist. - Insbesondere ist die Hemmung besonders groß,
etwas in sĂ€mtlichen Teilfragen ausschließlich mit der negativsten
Bewertung zu beurteilen.

Auf Seite 4 sollen sechs Bezahlmodelle fĂŒr DRM-kastrierte Medien mit
"Möchte ich nutzen" (1) ĂŒber "vielleicht" (3) bis "keine Nutzung" (5)
bewertet werden.
   DRM-Ablehnung wĂŒrde sich hier nur in einer von 15.625
Antwortmöglichkeiten wiederfinden (sechs mal Bewertung "5"),
grundsĂ€tzliche DRM-Bereitschaft hingegen in allen anderen 15.624
Antwortmöglichkeiten.
   Es ist klar, dass eine solche Frageweise ein völlig anderes
Ergebnis bringen wird als etwa die Frage: "WĂ€ren Sie grundsĂ€tzlich
bereit, Filme oder Musik mit technischen NutzungsbeschrĂ€nkungen (DRM)
zu erwerben?"
   (Von der Frage "BegrĂŒĂŸen Sie es, wenn zahlreiche Filme oder Musik
nur noch mit technischen NutzungsbeschrĂ€nkungen (DRM) angeboten
werden?" ganz zu schweigen.)

Auf Seite 5 wird nach Musik- bzw. Filmformaten gefragt: "Halten Sie
es fĂŒr wichtig, dass sich die Hersteller auf einen Standard einigen?"
   Standards halte ich auf jeden Fall fĂŒr gut. Aber nur ein einziger
Standard? Das wiederum halte ich fĂŒr schlecht, denn es verhindert,
dass sich neuere und verbesserte Standards etablieren können.
   Wichtig ist, dass Formate a) frei, b) offen und c) standardisiert
sind. Lieber vier verschiedene Formate, die diesen Anforderungen
entsprechen, als ein Format, dass diesen Anforderungen nicht
entspricht.
   Solche aktuellen Diskussionen finden auf Seite 5 keinen Raum.
Insbesondere wird nicht deutlich, was diejenigen, die die Befragung
durchfĂŒhren, unter einem "Standard" verstehen. Gilt bei denen auch
.doc als Standard, gilt bei denen auch ein Monopol (bzw. ein
Oligopol) als Standard???

Auf Seite 6 sollen VergĂŒtungsmodelle beurteilt werden: Individuelle
VergĂŒtung (Bezahlung pro Titel / Album / ...) auf der einen und
pauschale VergĂŒtung ("Kulturflatrate") auf der anderen Seite. Dabei
wird bei individueller VergĂŒtung ausschließlich nach Modellen mit DRM
/ Kopierschutz gefragt.
   Das seit Jahrzehnten aktuelle, verbreitete, beliebte und
erfolgreiche Modell "Kauf von TontrĂ€gern ohne DRM" kommt ĂŒberhaupt
nicht vor. Die Umfrage behauptet einfach: "Das 'individuelle
VergĂŒtungsmodell' [...] - Kopierschutztechniken ĂŒberwachen [...] die
Einhaltung der vereinbarten NutzungsbeschrĂ€nkungen."
   Diese Behauptung in der Umfrage ist schlicht und ergreifend
falsch. Zahlreiche individuelle VergĂŒtungsmodelle (insbesondere der
ganz normale Kauf von ganz normalen CDs oder Schallplatten)
verzichten auf DRM.
   Damit sind die folgenden vier Teilfragen und Antworten auf diese
Fragen unbrauchbar.

Weiter unten auf Seite 6 wird nach Systemen der pauschalen VergĂŒtung
gefragt. Die gestellten Fragen sind aber m. E. nicht alle zu
beantworten:
   "Das Modell bedeutet fĂŒr mich geringe Kosten." - Woher soll ich
wissen, ob ein VergĂŒtungsmodell fĂŒr mich kostengĂŒnstig ist, wenn ich
nicht weiß, wie teuer es sein soll? Ich finde zum Beispiel, dass die
GEZ-GebĂŒhren fĂŒrs Radio sehr gĂŒnstig sind, wĂ€hrend die GEZ-GebĂŒhren
fĂŒrs Fernsehen recht teuer sind ... aber immer noch billiger als die
Finanzierung des Kommerzfernsehens (RTL & co.) durch höhere
Produktpreise. Alle drei sind Modelle pauschaler VergĂŒtung. Wo soll
ich ankreuzen?
   "Ich kann Musik und Filme nutzen wie ich will." - Ist das eine
Frage oder eine Aussage? Es gehört doch zur Definition der pauschalen
VergĂŒtung, dass ich Musik und Filme nutzen kann, wie ich will.
Erhalten bei dieser Frage alle, die nicht mit "trifft zu" antworten,
eine Meldung "Ihre Antwort ist falsch"?

Der Vergleich der beiden Modelle ganz unten auf Seite 6 ist
unbrauchbar: Es wurde zuvor der falsche Eindruck erweckt,
individuelle VergĂŒtung wĂŒrde beschrĂ€nkte Nutzungsmöglichkeiten (DRM)
zwangslĂ€ufig beinhalten.


Ich finde die Diskussionen um digitale Restriktionen (DRM) und andere
Formen kĂŒnstlicher Verknappung von KulturgĂŒtern wichtig und
interessant.

Ich glaube aber nicht, dass die aktuelle Umfrage in diesen
Diskussionen sehr hilfreich sein kann.

Schönen Gruß


Holger
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