AMD stoppt Auslieferung der Barcelona-Prozessoren

Nach einer stark verzögerten Einführung liefert AMD wohl erst einmal keine Barcelona-Prozessoren mehr aus.

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Von
  • Benjamin Benz

AMD kämpft bei dem Vierkernprozessor Barcelona für Server weiter mit massiven Verzögerungen. Die breite Auslieferung des im Wettlauf mit dem Konkurrenten Intel wichtigen Prozessors sei erneut verschoben worden, bestätigte ein AMD-Sprecher laut einem Bericht der New York Times. Wegen technischer Unregelmäßigkeiten – oder genauer einem Bug im Translation Lookaside Buffer (TLB) – werde der Chip erst Anfang nächsten Jahres in größerem Umfang verfügbar sein.

Hinter der vorsichtigen Formulierung der verschobenen "breiten Auslieferung" versteckt sich ein handfester Lieferstopp, denn zwischenzeitlich hatte AMD sehr wohl Barcelona-CPUs im B2-Stepping verkauft. Mittlerweile haben wohl aber fast alle Händler ihre Barcelonas abverkauft oder nennen Liefertermine nur noch auf Anfrage. In einem Interview mit InternetNews verlegte sich AMD-Sprecher Phil Hughes auf Wortklaubereien: Man hätte die Produktion nicht gestoppt und das Auslieferungsmuster nicht verändert. Ferner könne man nur dann von einem Lieferstopp sprechen, wenn man auch in großen Stückzahlen liefern würde. Und das wiederum sei nur für bestimmte Kunden der Fall, die große Stückzahlen installieren würden. Im Channel sei der Phenom – hier sprach er wohlgemerkt nicht vom Barcelona – verfügbar.

In schönstem Marketingenglisch klingt das dann so: "We haven't changed the shipping pattern, ... It's only a stop ship if it's shipping in volume, and we're only shipping Barcelona for specific customer commitments, like larger volume deployments. Phenom is out in the channel, in general availability now. There has been no stop ship at all."

Im Widerspruch zu dem Bericht der New York Times schreibt der US-Newsdiesnt TGDaily von einer E-Mail, die AMD geschickt habe; darin betonte der Chiphersteller, man sei weiterhin "on track" mit den Zahlen für das vierte Quartal. Zu diesen gehört aber auch die Auslieferung von Hunderttausenden von Vierkernprozessoren. Eine Stellungnahme von AMD war bislang nicht zu erhalten.

Bereits im Vorfeld der Vorstellung des neuen Prozessors hatte es monatelange Verzögerungen gegeben. Zuletzt hatte AMD vor mehreren Wochen angekündigt, die Auslieferung könne nun beginnen. Intel liefert seine Vierkernprozessoren für Server bereits seit rund einem Jahr. Dieser besteht allerdings aus zwei Doppelkernen in einem Gehäuse , AMD fertigt alle vier Kerne auf einem Die.

Die ebenfalls verspätet vorgestellten Vierkernprozessoren für Desktop-PCs (Phenom) liefert AMD hingegen aus; zumindest die beiden Modelle Phenom 9500 (2,2 GHz) und Phenom 9600 (2,3 GHz). Den Phenom 9700 (2,4 GHz) hatte AMD in allerletzter Minute auf Anfang 2008 verschoben. Wahrscheinlich kommt er dann bereits im B3-Stepping ohne TLB-Bug. Das ebenfalls für Anfang 2008 versprochene B3-Stepping der beiden schon verfügbaren Phenoms soll sich auch in deren Namen niederschlagen: So soll der 2,2-GHz-Phenom dann 9550 und das 2,4-GHz-Modell 9650 als Nummer tragen.

Die beiden verfügbaren Phenoms haben – wie laut Dave Everitt, AMDs Marketingmanager für Europa, alle K10-Prozessoren im aktuellen B2-Stepping und damit auch die Barcelona-Server-CPUs – einen Fehler, der bei hoher Auslastung des Prozessors in bestimmten Konstellationen Daten verfälschen kann. Der Fehler steht im Zusammenhang mit dem Translation Lookaside Buffer (TLB). AMD hat zwar einen Workaround ersonnen, der den TLB deaktiviert, dabei jedoch mindestens 10 Prozent Performance kostet. AMD wünscht sich, dass die Mainboard-Hersteller diesen Workaround automatisch im BIOS aktivieren und der tuning-willige Endkunde ihn dann mit dem Tool "AMD Overdrive" wieder abschalten kann. Zwischenzeitlich war auch eine Einstellmöglichkeit im BIOS-Setup im Gespräch. Welche der derzeit verfügbaren phenom-tauglichen Mainboards den Fix bereits integriert haben, ist unklar. Ebenfalls gemunkelt wurde, dass der TLB-Bug nur bestimmte Speed-Grades betreffen würde und deshalb AMD auf die Einführung des Phenom 9700 verzichtet hätte. Mittlerweile kristallisiert sich jedoch heraus, dass er bei allen Modellen zuschlagen kann. Mit welcher Workload er sich provozieren lässt, hat AMD bislang noch nicht verraten, wobei es Berichte gibt, dass er insbesondere im Zusammenhang mit Virtualisierung zuschlägt.

Weitere Ungereimtheiten konnten wir bei zwei Phenom-Systemen beobachten, die wir im c't-Labor zur Messung hatten: Einerseits lief der Arbeitsspeicher bei einem von Atelco für AMD gebauten Testsystem nur als DDR2-800, obwohl die Phenoms ursprünglich auch DDR2-1066 unterstützen sollten. Auch bei den Phenom-9700-Systemen, die AMD in Warschau der Presse präsentierte war der Speicher auf DDR2-800 heruntergetaktet. Andererseits arbeitete sowohl beim Phenom 9500 als auch beim Phenom 9600 die Northbridge – dazu gehören insbesondere Speicher-Controller und L3-Cache – nur mit 1,8 GHz. Hier waren einst 2,0 GHz im Gespräch.

Der TLB-Bug mit der internen Bezeichnung "errata number 298" taucht in der technischen Dokumentation noch nicht auf. Die aktuelle Version 3.00 des Revision Guides für die Familie-10h-Prozessoren listet bisher nur Errata bis zur Nummer 280. Wie ein AMD-Sprecher gegenüber US-Medien angab, sei der zuständige Sachbearbeiter im Urlaub.

Zwei SPEC-Benchmarks mit Barcelona Systemen, die IBM bei spec.org eingereicht hatte, sind bereits für ungültig erklärt worden, da IBM das System x3455 nicht innerhalb der geforderten drei Monate ausliefern konnte. Ein SPEC-Wert, den AMD selbst eingestellt hat, hat jedoch noch Bestand.

Siehe dazu auch:

(bbe)