EU-Kommission liebäugelt mit Netzsperren bei illegalen Downloads
Medienkommissarin Viviane Reding hat den Umriss für eine "Content Online"-Strategie veröffentlicht, in dem es unter anderem um die Pirateriebekämpfung geht. Interessierte können im Rahmen einer Konsultation bis Ende Februar dazu Stellung nehmen.
EU-Medienkommissarin Viviane Reding hat den Umriss für eine "Content Online"-Strategie veröffentlicht. Mit der entsprechenden Mitteilung (PDF-Datei) über "kreative Online-Inhalte im Binnenmarkt" will die Luxemburgerin eine konkrete Empfehlung für die Schaffung einer Plattform für Online-Inhalte vorbereiten. Deren Ziel soll die "Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle und die grenzüberschreitende Bereitstellung verschiedener Dienste für kreative Online-Inhalte fördern". Gleichzeitig soll ein "robuster Schutz von Urheberrechten" gewährleistet werden. Lizenzen sollen leichter für mehrere oder alle EU-Mitgliedsstaaten erhältlich sein.
Reding selbst will es allen Recht machten, tendiert letztlich aber doch für eine Stärkung der Position der Rechteinhaber. "Wir müssen uns entscheiden in Europa", erklärte die Kommissarin, ohne aber Zweifel an der einzuschlagenden Richtung und damit überhaupt echte Optionen offen zu lassen. "Wollen wir eine starke Musik-, Film- und Spiele-Industrie?", fragte sie rhetorisch und lieferte die Antwort mit ihrem Ansatz gleich hinterher: "Dann sollten wir der Industrie Rechtssicherheit verschaffen, den Urhebern eine angemessene Entlohnung und den Verbrauchern breiten Zugang zu einem reichen Angebot von Online-Inhalten." Im Rahmen einer öffentlichen Konsultation, deren Fragen im Anhang der Empfehlung zu finden sind, sollen aber auch alle interessierten Netzbürger und Interessensgruppen noch ihre Meinung abgeben dürfen. Einsendeschluss von Kommentaren ist der 29. Februar.
Wichtiges Element der für Mitte des Jahres angekündigten Kommissionsempfehlung soll der Punkt "legale Angebote und Piraterie" sein. "Die Eigentümer von Inhalten fordern eine stärkere Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der Piraterie", heißt es dazu in der Mitteilung. Zugleich verweist sie auf den Plan zur Änderung der Universaldienstrichtlinie im Rahmen des heftig umstrittenen Vorschlags für ein neues Paket zur Regulierung von Telekommunikationsanbietern. Darin sei bereits vorgesehen, "dass die Internet-Diensteanbieter die Teilnehmer vor Vertragsabschluss und danach in regelmäßigen Abständen deutlich über ihre Pflichten bezüglich der Einhaltung der Urheberrechte und verwandten Schutzrechte aufklären müssen".
Nicht zu erwähnen vergisst die Kommission zudem, dass in Frankreich Provider gemeinsam mit der Regierung und Vertretern der Musik- und Filmindustrie bereits ein gemeinsames Vorgehen gegen Urheberrechtsverletzungen etwa beim Filesharing vereinbart haben. Einer neuen Internetbehörde solle damit die Befugnis eingeräumt werden, den Zugang zum Internet für Nutzer auszusetzen oder ganz zu kappen, die illegal Dateien herunterladen oder verbreiten.
Es scheine "in der Tat angemessen", Kooperationsverfahren in Form eines Verhaltenskodexes zwischen Zugangs- oder Diensteanbietern sowie Rechteinhabern und Verbrauchern anzulegen, kommentiert die Kommission diese umstrittene französische Regelung. Eine enge Zusammenarbeit bei der "Bekämpfung von Piraterie" beziehungsweise der unautorisierten Weitergabe von Inhalten sei sicherzustellen. Im Frageteil will die Brüsseler Behörde dann noch wissen, ob dem Pariser Modell gefolgt werden sollte. Interessiert zeigt sie sich auch daran, ob die Anwendung von Filtermaßnahmen "ein wirksames Mittel gegen online begangene Urheberrechtsverletzungen wären". Die Musikindustrie hatte jüngst gefordert, den Netzverkehr EU-weit zu filtern und einzelne Webseiten zu blockieren.
Als weitere wichtige Herausforderung sieht die Kommission unter anderem die Schaffung von Interoperabilität und Transparenz bei Systemen zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) an. Bei der Veröffentlichung der Ergebnisse einer früheren Konsultation zu diesem Schwerpunktbereich, mahnte Reding an, das Problem schnell anzugehen. Nun hält die Mitteilung fest: "Da lang andauernde Diskussionen der Akteure bisher nicht zur Anwendung interoperabler DRM-Lösungen geführt haben, muss in jedem Fall ein Rahmen festgelegt werden für die Transparenz von DRM-Systemen". Damit solle sicher gestellt werden, "dass der Verbraucher angemessene Informationen über Nutzungsbeschränkungen und Interoperabilität erhält". Ein korrektes und leicht verständliches Kennzeichnungssystem in diesem Sinne werde dem Schutz der Rechte der Bürger dienen und könne eine solide Grundlage für eine breitere Verfügbarkeit von Online-Inhalten bilden.
Im Frageteil zu DRM fordert die Kommission etwa dazu auf, "Haupthindernisse" auf dem Weg zu "vollständig interoperablen DRM-Systemen" zu benennen. Weiter will sie in Erfahrung bringen, ob alternative Streitbeilegungsmechanismen im Zusammenhang mit der Anwendung und Verwaltung von Kopierschutzverfahren das Vertrauen der Verbraucher in neue Produkte und Dienste stärken könnten. Auch die Ansichten über einen diskriminierungsfreien Zugang etwa für kleine und mittlere Unternehmen zu DRM-Lösungen und eine davon zu erwartende Wettbewerbsförderung sollen in Erfahrung gebracht werden. Dazu kommt ein Fragenteil zu einer Ausweitung gebietsübergreifender Lizenzierungen für Online-Inhalte. (Stefan Krempl) / (pmz)