Afghanistan: Todesurteil gegen Journalistikstudenten

Einem jungen Mann aus Balch im Norden Afghanistans wird vorgeworfen einen Text aus dem Internet, in dem der Islam beleidigt werde, ausgedruckt und an Kommilitonen verteilt zu haben.

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Von
  • Felix Longolius

Ein 23-jähriger Journalistikstudent wurde am gestrigen Dienstag von einem Gericht der Provinz Balch im Norden Afghanistans zum Tode verurteilt. Dem jungen Mann wird die Verbreitung eines Texts vorgeworfen, in dem der Islam verunglimpft werde. Das inkriminierte Material stamme aus dem Internet und beschäftige sich mit der Rolle der Frau in islamischen Gesellschaften und maßgeblichen Stellen im Koran, heißt es in Medienberichten. Der Student war im Oktober 2007 verhaftet worden. Bevor das Urteil endgültig rechtskräftig wird, muss es durch weitere Berufungsinstanzen.

Das Gerichtsverfahren sei hastig und ohne jede Achtung für das Gesetz oder das Recht auf freie Meinungsäußerung geführt worden, teilte die internationale Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen mit. Die Familie des Verurteilten erklärte, die Verhandlung sei hinter verschlossenen Türen geführt worden und der Angeklagte habe keinen Anwalt gehabt. Der Generalstaatsanwalt der Provinz Balch wies die Vorwürfe gegenüber Radio Free Afghanistan zurück und sprach von einem ordentlichen Verfahren nach islamischer Rechtsordnung.

Die afghanische Vereinigung freier Journalisten rief zusammen mit Reporter ohne Grenzen und weiteren Verbänden den afghanischen Präsidenten Hamid Karzai zur Intervention auf, obwohl das Gericht nach einem BBC-Bericht vorher vor öffentlicher Parteinahme für den Verurteilten gewarnt und mit Verhaftung gedroht hatte. Vor dem Haus des Studenten haben sich afghanische Journalisten den Berichten zufolge trotz der Drohungen versammelt und protestieren gegen das Urteil.

Medienberichten zufolge besteht ein Zusammenhang mit Veröffentlichungen des Bruders des Verurteilten. Der über Afghanistans Grenzen hinaus bekannte Journalist Sayed Yaqub Ibrahimi hatte verschiedene Artikel veröffentlicht, die sich kritisch mit lokalen Autoritäten auseinandersetzten. Der Journalist vermutet, mit der Verurteilung seines Bruders solle Druck auf ihn ausgeübt werden. (flo)