Opposition drängt Bundesregierung zur RFID-Regulierung

FDP und Grüne pochen auf eine rasche Selbsterklärungsverpflichtung der Funkchips einsetzenden Wirtschaft, die Linken fordern sofort einen gesetzlichen Rahmen. Die Union spricht dagegen von inszenierten "Horrorszenarien".

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Politiker der Opposition haben die Bundesregierung aufgefordert, sich rasch für die Einhaltung verbindlicher Datenschutzstandards bei der Anwendung von RFID-Chips einzusetzen. Laut den Grünen und der FDP soll Berlin dabei noch ein letztes Mal auf die Abgabe einer strikten Selbstverpflichtungserklärung der Wirtschaft pochen. Die Linke hält die Bemühungen der Industrie zur Selbstkontrolle dagegen für gescheitert. Sie macht sich stattdessen für eine gesetzlich verpflichtende Beschränkung des Einsatzes von RFID-Technik im Endkundenbereich stark. Dies verdeutlichten Vertreter der entsprechenden Parteien bei der Beratung eines Antrags der Grünen zur Stärkung des Datenschutzes bei Funkchips am vergangenen Freitag im Bundestag, der nun in Fachausschüssen weiter beraten werden soll. Ihre Beiträge gaben die Redner bei dem letzten Tagesordnungspunkt vor dem Wochenende zu Protokoll.

"Die Zeit für eine Selbstverpflichtung läuft ab", erklärte demnach Silke Stokar, innenpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag. Die Untätigkeit der Bundesregierung habe zur Folge, "dass eine Zukunftstechnologie nicht den Durchbruch erzielen wird". Die dafür erforderliche Akzeptanz der Verbraucher könne ohne Schutz der persönlichen Sphäre nicht erlangt werden. Als einen wesentlichen Kritikpunkt führte Stokar an, dass etwa durch die Verknüpfung von Warendaten mit Informationen über Kundenkarten detaillierte individuelle Verhaltens- und Konsumprofile erstellt werden könnten. Der Chip in Anzug oder Hose sei kontaktlos auslesbar, der Kunde anhand des identifizierten Produkts etwa nach teuren oder billigen Produkten zu "klassifizieren".

Planungen für ein Datenschutzgütesiegel ohne Beteiligung des Bundesdatenschutzbeauftragten und der Verbraucherschutzverbände lehnte die Grüne entschieden ab. RFID-Chips müssten deutlich sichtbar gekennzeichnet sein, und es müsse eine endgültige Deaktivierung der Tags an den Kassen der Geschäfte erfolgen. Konsumprofile dürften nur aufgrund einer "Opt-in-Einwilligung" der Kunden erstellt werden. Weiter sprach sich Stokar gegen den Einbau von RFID-Chips mit biometrischen Daten in Personalausweise sowie gegen die Überwachung von Straftätern mit der Funktechnik aus.

"Mit RFID-Systemen können Personen überwacht und Bewegungsprofile erstellt werden, ohne dass die Person es merkt", monierte auch die Innenexpertin der FDP, Gisela Piltz. Das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung dürfe nicht "dramatisch ausgehöhlt werden", um Kostensenkungen in Unternehmen zu erreichen. Die Bundesregierung versuche schon seit Längerem erfolglos, der Wirtschaft eine Selbstverpflichtungserklärung abzuringen, welche den Datenschutzerfordernissen genügt. Piltz stellte im Namen der Liberalen, die bereits 2006 einen von der großen Koalition skeptisch beäugten eigenen Antrag zur RFID-Kontrolle eingebracht hatten, klar: "Wir brauchen endlich einen echten Fortschritt bei diesem Thema, damit diese aufstrebende Technik nicht durch Misstrauen gebremst wird."

Der Verbraucher werde mit den Etiketten "zum Dauersender seiner eigenen Informationen", ohne genau zu wissen, mit welchen weiteren Angaben die Daten verknüpft würden, beklagte Karin Binder von den Linken. "Wo Daten erst einmal anfallen, werden sie später auch für andere Zwecke genutzt." Wer garantiere etwa, dass die per RFID-Chip ermittelte Menge der gekauften Weinflaschen oder Schokoriegel nicht Einfluss auf die Berechnungen von Versicherungsbeiträgen habe. Die Auswertung des Konsumentenverhaltens könne zudem der Preisdiskriminierung Vorschub leisten. Der Antrag der Grünen gehe an der entscheidenden Stelle daher "leider nicht weit genug". Im Interesse der Verbraucher sage die Linke daher: "Stoppt RFID."

Die CDU/CSU wird sich nach Angaben ihrer Datenschutzexpertin Beatrix Philipp dagegen nicht daran beteiligen, Sorgen und Ängste der Bevölkerung vor Datenmissbrauch "mit fernliegenden Szenarien zu schüren oder gar 'Orwellsche Bilder' heraufzubeschwören." Den Grünen attestierte die CDU-Politikerin eine dauernde Veranlassung, "den Menschen Horrorszenarien vorzuspiegeln". Dies sei "sehr bedenklich". Es führe unter anderem dazu, "dass die Menschen ­ etwa bei Daten, die bei staatlichen Stellen anfallen, ­ mittlerweile dem Staat gegenüber ein Misstrauen entwickeln, das bei weitem das gegenüber wirtschaftlichen Unternehmen übertrifft". Für die Verbraucher werde es mittelfristig bei den bisherigen Anwendungsformen von RFID wie Wegfahrsperren, Veranstaltungstickets oder E-Pass bleiben, deren Vorteile laut Philipp "auf der Hand liegen".

Manfred Zöllmer von der SPD schloss sich den Bedenken der Grünen zur Umweltverträglichkeit von Funkchips und der von ihnen ausgehenden Strahlenbelastung an. Entscheidend für die Bewertung eines gesetzgeberischen Auftrags müsse im Einzelhandel die Verknüpfung ausgelesener Daten mit einer Datenbank im Hintergrund sein. "Verbraucher müssen auch unter veränderten technologischen Bedingungen grundsätzlich über Erhebung, Verarbeitung und Nutzung von Daten bestimmen können", pochte er auf mehr Transparenz beim RFID-Einsatz. Generell müsse die Notwendigkeit gesetzlicher Maßnahmen sorgfältig geprüft werden. Zunächst sei aber ein in Kürze vorzulegender Bericht der Bundesregierung zur Regulierung der Funkchips abzuwarten. (Stefan Krempl) / (vbr)