Afrika macht Europa beim Roaming was vor

Die in Afrika aktive Mobilfunkgruppe Celtel bietet allen Kunden, die auf Vorauszahlungsbasis telefonieren, die Nutzung der ausländischen Mobilfunknetze der Celtel-Gruppe zum Inlandstarif an.

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Zwölf Länder mit 400 Millionen Einwohnern und der doppelten Fläche der Europäischen Union ganz ohne Roaminggebühren: Was wie der Albtraum eines europäischen Mobilfunk-Managers klingt, ist in Afrika bereits seit 2006 Realität. Das Modell soll nun auf fünf Mobilfunknetze im Nahen Osten ausgeweitet werden. Dies zeigt, dass Roaminggebühren weder technisch noch finanziell notwendig sind. Für die europäischen Roamingdebatten hätten die afrikanischen Kunden wohl nur ein freundliches Lachen übrig.

Hinter dem One Network getauften Angebot steht die Celtel-Mobilfunkgruppe, die seit 2005 zur Zain-Gruppe (ehemals MTC) gehört. Celtel bietet allen Kunden, die zum weitaus überwiegenden Teil auf Vorauszahlungsbasis (Prepaid) telefonieren, die Nutzung der ausländischen Mobilfunknetze der Celtel-Gruppe zum Inlandstarif an. Egal wo in den zwölf Ländern sich der Kunde aufhält, er telefoniert zum gleichen Preis, als wäre er zu Hause. Außerdem kann er sein Guthaben mit allen Ladebons aufladen, die in einem der Länder zu kaufen sind. Von den 25 Millionen Kunden in Burkina Faso, Gabun, Kenia, im Kongo, in der Demokratischen Republik Kongo, in Malawi, Niger, Nigeria, im Sudan, in Tansania, im Tschad und in Uganda nutzen bereits mehr als 3 Millionen das Roamingangebot, bei dem man bereits für Beträge im einstelligen Cent-Bereich pro Minute roamen kann.

Möglich gemacht wird der Service durch die Lösung InRoam des indischen Anbieters Pyro Networks. "Es gibt kein zentrales Billing, kein zentrales Ladebon-System bei Celtel. Es sind alles voneinander getrennt operierende Mobilfunknetze", erläuterte Pyro-Chef und -Eigentümer S M Reddy auf dem Mobile World Congress (MWC) in Barcelona. "Unsere Middleware sorgt dafür, dass die zentralen Netzelemente miteinander kommunizieren. So wird zum Heimat-Tarif in Echtzeit abgerechnet und lokal das Guthaben aufgeladen." Das One Network ist so erfolgreich, dass nun auch die Zain-Netze in Bahrain, Jordanien, Saudi Arabien und im Irak einbezogen werden sollen.

Die InRoam-Plattform ist dieses Jahr zum Global Mobile Award der GSMA in der Kategorie "Bester Roaming-Dienst" nominiert. Der Erfolg ist Rückenwind für die Bestrebungen von Pyro Networks, auf dem MWC neue Kunden zu gewinnen. Das vor sieben Jahren gegründete Unternehmen hat noch eine Reihe weiterer Lösungen im Angebot. Das System Virtual Local Number kann im Ausland roamenden Kunden eine temporäre Rufnummer aus diesem Land zuteilen, sodass sie ohne Passivgebühren und zu Inlandstarifen erreichbar sind. Neben einem elektronischen Ladebon-Management-System, einer Einrichtung zum Transfer von Guthaben zwischen Kunden mit Rechnungslegung (Postpaid) und solche mit Vorauszahlung (Prepaid), einem Produkt namens "Steering of Roaming", mit dem der Netzbetreiber die Wahl des Roamingnetzes kontrollieren kann, einem SMSC und einigem anderen wie etwa Ringback-Tones und weiteren Content-Angeboten gibt es ein Rufnummern-Management-System.

Letzteres wurde vom indischen Netzbetreiber Hutch, der inzwischen zur Vodafone-Gruppe gehört, eingesetzt, um Prepaid-Kunden die Wahl einer Wunschrufnummer zu ermöglichen. Der Kunde kauft dabei eine beliebige SIM-Karte und kann sich bei der ersten Nutzung für eine Wunschrufnummer entschließen. Diese fordert er mittels SMS oder per Telefonat mit einem Computer (IVR) an. Er kann dabei nicht nur eine komplette Rufnummer oder einen Teil davon spezifizieren, sondern etwa auch eine beliebige freie Nummer anfordern, die eine bestimmte Ziffernsumme ergibt. Dies ist insbesondere bei nummerologisch Interessierten beliebt. "Über eine klassische Kundenbetreuung lässt sich so etwas nicht abwickeln. Jede Hotline wäre obszön überlaufen", meint Reddy. Bei Hutch hätten immerhin 40 Prozent aller Kunden den Wunschrufnummerndienst in Anspruch genommen. (Daniel AJ Sokolov) / (anw)