Schwere Bedenken gegen EU-Pläne für biometrisches Einreiseregister

Im EU-Parlament und im Bundestag ist die vorgeschlagene Ausweitung der Grenzkontrollen der EU überwiegend mit Skepsis aufgenommen worden.

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Das Vorhaben der EU-Kommission zum Aufbau eines Grenzkontrollsystems mit einem biometrischen Ein- und Ausreiseregister haben Abgeordnete im EU-Parlament und im Bundestag überwiegend mit Skepsis aufgenommen. So forderte etwa der EU-Abgeordnete Wolfgang Kreissl-Dörfler (SPD) angesichts der Vielzahl der sich im Aufbau befindlichen oder vorgeschlagenen Datensysteme ein Einhalten: "Das ständige Vorpreschen mit neuen Sicherheitsvorschlägen führt zu einem undurchschaubaren Datengeflecht." Der Chef der Liberalen im EU-Parlament, Graham Watson, warf der Kommission eine Salami-Taktik vor. Es sei nach der Einführung des biometrischen Reisepasses und der geplanten 13-jährigen Speicherung von Fluggastdaten sicherzustellen, "dass das Gesamtergebnis dieser Vorschläge nicht schwerwiegender ist als die Summe seiner Teile".

Deutliche Worte fand der grüne EU-Abgeordnete Cem Özdemir. "Das hat mit Einwanderungskontrolle nichts mehr zu tun und wäre ein weiterer Schritt in den totalen Überwachungsstaat." Die federführend von Justizkommissar Franco Frattini vorangetriebene "massive Anhäufung von Daten" nach Vorbild des Grenzkontrollsystems US VISIT der USA werfe ernste datenschutzrechtliche Bedenken auf. Die Trennlinien zwischen Einwanderungskontrolle und polizeilichen Maßnahmen würden damit zunehmend verwischt, eine zweckbestimmte Verwendung der personenbezogenen Informationen sei nicht gesichert. Alarmierend sei vor allem, dass die Kommission das System auch auf die eigenen Bürger anwenden wolle. Der EU-Abgeordnete Manfred Weber von der CSU erhofft sich dagegen einen Fortschritt. Mit dem System könnte es möglich werden, Leute zur Fahndung auszuschreiben, die nach Ablauf eines Visums in der EU untertauchten.

Hierzulande äußerte sich der Innenexperte der SPD-Bundestagsfraktion, Dieter Wiefelspütz, widersprüchlich. Dass Frattini erwäge, auch EU-Bürger in das Reiseregister einzubeziehen, sei "völlig überzogen", sagte er der Netzeitung, bezeichnete die Bestrebungen in der Berliner Zeitung dagegen als "nachvollziehbar". Frattini müsse allerdings "auf die Finger geschaut" werden. Die FDP-Innenexpertin Gisela Piltz rügte, dass der Kommissar "maßlos" überziehe. Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von den Liberalen sprach von einer "Horrorvorstellung", wenn ein europäischer Zentralcomputer mit "biometrischen Daten sämtlicher Drittstaatenangehörigen gefüttert" werde. Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast lehnte die Initiative ebenso ab wie Vertreter der Linken.

Zweifel an der Wahrung der Menschenrechte äußerte selbst die Gewerkschaft der Polizei (GDP), die auf eine gründliche Debatte der "weit reichenden Pläne" pochte. Sensible Fragen von Datenspeicherungen, Zentraldateien und der Umgang mit Menschen, die in verzweifelter Not vor Armut und Völkermord Zuflucht suchen, müssten auch in den Gesellschaften Europas ausführlich diskutiert werden. (Stefan Krempl) / (vbr)