Jugendschutzfilter werden besser, sind aber nicht alle gut
Eine Evaluierung bestehender Jugendschutztechniken im Auftrag der EU ergab leichte Verbesserungen, aber auch bekannte Schwächen. Dem Web 2.0 werden einzelne Client-Lösungen künftig kaum noch Herr, schätzen die Experten.
Jugendschutz wird künftig von Diensteanbietern und integrierten Funktionen in Betriebssystemen übernommen. Die Unternehmensberatung Deloitte rechnet damit, dass in weniger als drei Jahren eigenständige Filterangebote ihre noch dominierende Rolle im Jugendschutz-Markt verlieren. Zugänge, die beim Internet Service Provider (ISP) oder über zusätzlich von spezialisierten Drittanbietern eingekaufte Proxy-Dienste gefiltert werden, erlauben laut der Prognose der Unternehmensberater eine raschere Reaktion auf das dynamische Web 2.0. Deloitte hat im Auftrag der EU-Kommission zum zweiten Mal verschiedene Jugendschutzfilter analysiert und legte die Ergebnisse nun vor.
23 der insgesamt 30 untersuchten Filterprodukte, davon 22 Client-, 7 serverbasierte Lösungen und AOL als einziger Dienst, wurden zum zweiten Mal überprüft. Zwar interpretieren die Berater die Ergebnisse als Beleg dafür, dass "Filtertechnologie ausgereifter wird und so effektiv gemacht werden kann, dass sie die Erwartungen der für Kinder und Jugendliche Verantwortlichen erfüllen kann". Allerdings fällt die Bilanz von Verbesserungen und Verschlechterungen doch recht ausgewogen aus.
Die Hälfte der untersuchten Produkte, zu denen übrigens auch zwei serverbasierte Open-Source-Produkte gehören (DansGuardian und Poesia Open Source Filtering), verbesserte laut Deloitte die Filtergenauigkeit bei allgemein relevanten Inhalten. Bei der Blockierung pornografischer Inhalte waren acht Hersteller allerdings schlechter als noch vor einem Jahr. Keines der Angebote zum Schutz der 11- bis 16-Jährigen schaffte die Note "gut". Nur Magic Desktop von Easybits Software AS brachte es bei einem Filter für die 6- bis 10-Jährigen auf ein "Sehr gut" für alle Arten von Inhalten.
Selbst der "Testsieger", der mit einer großen Whitelist arbeitet, schaffte allerdings in den Kategorien Installations- und Deinstallationsroutine sowie bei Monitoring- und Transparenzfunktionen nur zwei der vier möglichen Punkte. Beklagt wurde von den 149 privaten Testpersonen – vor allem Lehrer und Eltern aus verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten –, dass ihnen Unverträglichkeiten mit Sicherheitsfeatures teilweise ziemlich zu schaffen machten. In einzelnen Fällen führten Probleme bei der Installation dazu, dass der Internetzugang komplett gesperrt wurde. Abzulehnen sei auch, schreibt Deloitte, die komplette Protokollierung nicht nur der besuchten Seiten, sondern auch der Inhalte von Seiten und auch Chats der Jugendlichen.
Bei den Wertungen zur Anwenderfreundlichkeit seien einige Clientlösungen im Vergleich zum vergangenen Jahr sogar zurückgefallen, heißt es im Deloitte-Bericht. Nicht zuletzt mit Blick auf die leichtere Bedienbarkeit empfehlen sich laut den Beratern die Dienstelösungen (AOL) und der ins Betriebssystem integrierte Jugendschutzfilter, der bei Bedarf "angeschaltet" werden kann. Die Dienstevariante wird aber insbesondere durch die Anforderungen des Web 2.0 die Option der Wahl, meinen die Berater.
Für die Klassifizierung dynamischer Inhalte müsse auf mächtigere Analysemöglichkeiten zurückgegriffen werden, die zum einen den Suchroutinen von Suchmaschinenbetreibern wie Google oder Yahoo ähnlich seien, andererseits Nutzerurteile und -empfehlungen mit einbezögen – hier nennt die Studie Angebote wie ChoiceStream, CleverSet oder Aggregate Knowledge als Modelle. Die Speisung von Klassifizierungen aus möglichst vielen Quellen, auch von Nutzern, könnte für differenzierte und aktuellere Bewertungskataloge sorgen. Web-2.0-Zusammenarbeit der Nutzer als Waffe gegen Web-2.0-Schmutz sozusagen. Reine Client-Lösungen wären damit out, schon aus Kapazitätsgründen. (Monika Ermert) / (vbr)