US-Gericht stellt Filesharing-Klage der Musikindustrie in Frage

Eine Richterin des Bundesgerichts für Connecticut hat in einem Filesharing-Prozess einen Entscheidungantrag der RIAA abgewiesen und stellt dabei die Argumente der Klageschrift in Frage: Ihr fehlen die Beweise.

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Eigentlich war die Sache doch klar: Die US-Musikindustrie verklagt in einem von abertausenden Verfahren einen mutmaßlichen Filesharer wegen Copyright-Vergehen. Als der vor Gericht nicht auftaucht und auch sonst nicht reagiert, beantragen die Industrie-Anwälte eine Entscheidung in Abwesenheit. Routine, einen Filesharer mehr zu den Akten gelegt. Doch in diesem einen Fall vor einem Bundesgericht im US-Bundesstaat Connecticut sah die Richterin das anders und wies den Antrag ab: kein Urteil.

Die Musikindustrie wird das verschmerzen. Trotzdem hat es die Begründung von Richterin Janet Bond Arterton in sich. Denn die Juristin stellt die zentrale Argumentation in Frage, auf der der Lobbyverband Recording Industry Association of America (RIAA) seine gesamte Klagekampagne aufbaut. Arterton diskutiert in der Begründung ihrer am 13. Februar ergangenen Entscheidung unter anderem die Parameter, die nach amerikanischem Fallrecht zur Beurteilung eines solchen Antrags herangezogen werden sollten.

Demnach müssen bei der Gewährung eines Urteils in Abwesenheit und ohne Anhörung des Beklagten drei Faktoren berücksichtigt werden. Der Angeklagte muss erstens vorsätzlich gehandelt haben und zweitens darf kein Ansatz für eine erfolgversprechende Verteidigung erkennbar sein. Drittens darf dem Kläger kein rechtlicher oder anderer Schaden aus der Ablehnung des Antrags entstehen. Während Richterin Arterton in der Abwesenheit des Angeklagten immerhin eine grobe Fahrlässigkeit erkennt, die zu Gunsten der Kläger gewertet werden könnte, sieht sie keine Dringlichkeit, dem Antrag zur Schadensabwehr stattzugeben.

Allerdings sieht sie mögliche Ansatzpunkte für eine Verteidigung, ohne damit deren tatsächliche Erfolgsaussichten zu bewerten. Die Juristin vermisst eine faktenbasierte Anklage, die sich nicht auf Mutmaßungen stütze. Die formelhafte Anklageschrift enthalte keine ausreichenden Beweise für eine Urheberrechtsverletzung durch den Beklagten. Darüber hinaus findet die Richterin die Grundannahme der Kläger, dass die Bereitstellung von urheberrechtlich geschütztem Material in einem Filesharing-Netz schon eine Rechtsverletzung darstellt, "problematisch". Allein hier sieht sie einen Ansatzpunkt für die Verteidigung, weil das US-Copyright nach ihrer Auslegung eine tatsächlich nachgewiesene Verbreitung des geschützten Materials verlangt.

Damit ist Arterton auf einer Linie mit Rechtsanwälten von Beklagten in anderen Fällen, die dieses Argument ebenfalls vorgebracht hatten. Die Richterin stützt sich dabei auch auf die Begründung eines Kollegen, der in einem ähnlichen Verfahren einen Entscheidungsantrag abgelehnt hatte. Hier hatten die RIAA-Anwälte weitere Informationen nachgereicht, um ihre Klage zu stützen. Auch Arterton darf nun mit einer weiteren Eingabe des Industrieverbandes rechnen, der sich gegenüber Ars Technica nicht erfreut über das Urteil zeigte.

Beobachter messen Artertons Entscheidung insofern Bedeutung zu, als sie auf diesem neuen und noch nicht durch zahlreiche Präzedenzfälle zementierten Rechtsgebiet zur Bildung des Präzedenzkanons beitragen könnte. Zwar reichen einige wenige Entscheidungen noch nicht aus, doch können solche Entscheidungen auch andere Verfahren beeinflussen und damit zum Ausbau des Fallrechts beitragen. Der New Yorker Anwalt Ray Beckerman, der selbst einige RIAA-Fälle betreut und die Kampagne der US-Musikindustrie in seinem Blog dokumentiert, hat die Richter in seinen Verfahren schon von Artertons Entscheidung in Kenntnis gesetzt. (vbr)