Weltzollorganisation will den Schutz geistigen Eigentums forcieren

Die Brüsseler Dachvereinigung von 171 nationalen Zollverwaltungen drängt einem Bericht zufolge im Kampf gegen die Produktpiraterie auf ein "freiwilliges" Abkommen zur Sicherung technischer Kopierschutzverfahren.

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Die Weltzollorganisation (WZO) drängt einem Bericht zufolge im Kampf gegen die Produktpiraterie auf ein Abkommen zur Verschärfung von Vorschriften zum Schutz von Immaterialgüterrechten und zur Sicherung technischer Kopierschutzverfahren. Die vorgeschlagenen Regeln sollen laut einem Bericht des Fachdienstes Intellectual Property Watch zunächst als Modell für eine freiwillige Gesetzgebung dienen. Demnach sollen etwa Lücken in bestehenden nationalen Gesetzen behoben werden, wonach noch nicht in allen 171 Mitgliedsstaaten der WZO Soft- oder Hardware zum Umgehen von Kopierschutzmaßnahmen sowie gecrackte Güter an den Grenzen beschlagnahmt werden können. Mittelbar geht es so auch um einen verbesserten Schutz von Systemen zum digitalen Rechtekontrollmanagement (DRM) etwa auf CDs oder DVDs.

Ein Sprecher der Brüsseler Dachvereinigung von 171 nationalen Zollverwaltungen betonte dagegen, dass sich das Vorhaben vor allem gegen den schwunghaften Handel mit gefälschten Arzneimitteln richte. "Wir sprechen nicht über Designer-Handtaschen oder Sonnenbrillen", erklärte er. Vielmehr würde den WZO-Mitgliedern die vor allem über Afrika hereingebrochene "Flut" an Imitaten von Arzneimitteln große Sorge bereiten. Die Zollbehörden müssten hier ihrer Aufgabe zum Schutz der Gesellschaft stärker Rechnung tragen.

Wirtschaftsvereinigungen einschließlich von Lobbygruppen der Musik- und Filmindustrie fordern von nationalen Regierungen seit längerem eine verschärfte Bekämpfung der Produkt- und Markenpiraterie. Sie drängen dabei auch auf die Verabschiedung neuer Gesetze, die den Import gefälschter sowie illegal kopierter Produkte strafbar machen sollen. Nun haben sie offenbar verstärkt internationale Organisationen im Visier, um härtere Maßnahmen durchdrücken zu können.

Die Weltzollorganisation will im Juni über die Vorlage für nationale Gesetzgeber entscheiden. Momentan widersetzen sich einem entsprechenden Beschluss aber zahlreiche Vertretungen von Entwicklungsländern unter der Führung Brasilien. Die Südamerikaner sind der Ansicht, dass die WZO keine Befugnisse für internationale Rechtsempfehlungen im Bereich von Immaterialgütern hat. Dafür seien vielmehr die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) und die Welthandelsorganisation (WTO) zuständig.

Erstere hat bereits ein umfangreiches Abkommen mit Auflagen zur rechtlichen Absicherung von Kopierschutzmaßnahmen verabschiedet, das der Gesetzgeber hierzulande im Rahmen des umstrittenen 1. Korbs der Urheberrechtsnovelle umgesetzt hat. Die WIPO-Vorschriften zum Schutz geistiger Eigentumsrechte sind im TRIPS-Abkommen (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights) festgehalten. Bestimmungen zur Überwachung von Importen oder Exporten auf möglicherweise widerrechtlich kopierte Medienträger an den Grenzen finden sich darin nicht.

Geht es nach den Brasilianern, müsste für die Verwirklichung der nun auf WZO-Ebene diskutierten Regelungen eigentlich das TRIPS-Übereinkommen verändert werden. Da die Regierungen aus Europa und Nordamerika aber wüssten, dass sie in der WTO dafür keine Mehrheiten fänden, würden sie die Einführung der Maßnahmen nun "durch die Hintertür" bei der Zollorganisation versuchen. Dies würde laut Diplomaten einen "gefährlichen Präzedenzfall" schaffen. Zumal es in der Sache in vielen Ländern bisher legal sei, sich etwa Musik für den privaten Gebrauch von einer CD auf einen iPod zu kopieren. James Love von der zivilgesellschaftlichen Organisation Knowledge Ecology International, welche die internationale Debatte über Immaterialgüterrechte verfolgt, moniert zudem, dass die Europäer und Nordamerikaner mit der WZO just eine Einrichtung gewählt hätten, in der die Vertretung von Verbraucherrechten sehr gering ausgeprägt sei. Die Debatte bei der Zollorganisation habe bislang jegliche Transparenz vermissen lassen. (Stefan Krempl) / (jk)