Grüne sehen Rückschlag für die Wiener Linux-Strategie

Der Gemeinderat der Stadt Wien hat sich für die Anschaffung von Microsoft-Lizenzen für das Bildungsnetz und die Kindergärten entschieden. Die Grünen sehen darin einen Rückschlag für die Migrationsstrategie.

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Der Wiener Gemeinderat hat heute mit den Stimmen von ÖVP, SPÖ und FPÖ gegen die Grünen einem Ankauf von Microsoft-Schullizenzen für das Wiener Bildungsnetz und die Kindergärten zugestimmt. Damit ergeben sich Kosten in Höhe von gut 400.000 Euro für die Umstellung von 750 Kindergarten-Rechner auf Vista und für den Erwerb von 2600 Windows/Office/Server-Lizenzen für Schulen im Wiener Bildungsnetz. Die Wiener Grünen sehen in der Entscheidung einen Rückschlag für die Open-Source-Strategie der Stadtverwaltung, möglicherweise sogar einen "Todesstoß", nachdem der EDV-Abteilung der Stadt im Februar bereits 7,6 Millionen Euro für Lizenzen zum Umstieg von Windows 2000 auf Vista bewilligt worden seien, wie die grüne Gemeinderätin Marie Ringler heute in der Gemeinderatssitzung erläuterte.

Ringler wirft der Stadt vor, die Linux-Strategie nicht konsequent zu verfolgen. Die Wiener Wirtschaftskammer sei mit ihren Forderungen nach einem "sichtbaren politischen Commitment" und nach "Schwerpunkten und Supportprogrammen im Bereich der Kindergärten und Schulen" im Interesse der Wiener IT-Wirtschaft nicht bei der Stadt angekommen. Ringler stellte vage in den Raum, dass Microsofts Lobbyarbeit gerade im Bereich der Kindergärten gefruchtet haben könnte.

Ein versteckter Vorwurf, der in der Debatte von der SPÖ zurückgewiesen wurde, die sich nach ihrer Darstellung auch für Open Source einsetze. SPÖ-Gemeinderätin Barbara Novak wies zurück, dass ihre öffentlichen Auftritte mit Microsoft etwas mit dem jetzigen Beschluss zu tun hätten. Ringler sieht einen Widerspruch in ihrer Argumentation für die Umstellung. Novak habe mit pädagogischen Entscheidungskriterien argumentiert, obwohl die Kindergarten-PCs nicht für pädagogische Zwecke eingesetzt würden, sagte Ringler gegenüber heise online.

Die Stadt Wien bietet seit dem Jahr 2005 ihren Mitarbeitern am Arbeitsplatz Open-Source-Alternativen zu bisher verwendeter proprietärer Software an. Dazu gehören die Debian-Variante Wienux, OpenOffice.org statt MS Office und Firefox als Ersatz für den Internet Explorer. Die Magistratsabteilungen dürfen selbst wählen, welche Komponenten sie verwenden wollen. Von den 32.000 Rechnern in der Wiener Verwaltung setzen nach Angaben der Grünen derzeit 1000 Wienux ein, OpenOffice.org ist auf 15.000 Computern installiert. Derzeit laufen die Rechercheterminals der Wiener Bibliotheken so wie die 750 Verwaltungs- und pädagogischen Arbeitsplätze in den Kindergärten auf Wienux.

Die Rechner in den Kindergärten waren das erste Migrationsprojekt, erläutern die Grünen. Diese sollen demnach also jetzt "rückmigriert" werden, um eine Software zur Spracherhebung einzusetzen, die derzeit nur mit dem Internet Explorer nutzbar sei. Allerdings werde diese Software ab dem kommenden Jahr auch auf Mozilla Firefox einsetzbar sein. Mit einem Teil der Lizenzkosten für die 750 Kindergartenrechner hätte nach Meinung der Grünen der Hersteller der Spracherhebungssoftware dazu gebracht werden können, sein Produkt schneller als 2009 für Firefox verfügbar zu machen.

Zudem sehen die Grünen in der Migration von Windows 2000 auf Windows Vista keine klare Entscheidung, da Microsoft selbst bereits Werbung für den Nachfolger Windows 7 mache, der 2010 auf den Markt kommen soll. Zu der Zeit wäre die Migration auf Vista abgeschlossen. Nun fordern die Grünen eine grundsätzliche Diskussion über den weiteren Weg der Stadt Wien. (anw)