Internetprovider fordern klare gesetzliche Regelung für Access Blocking
Zugangsanbieter interpretieren den Ausgang des Gesprächs mit der Bundesfamilienministerin über Blockaden von kinderpornographischen Webseiten anders als diese selbst und betonen, dass sie Webseiten nur auf gesetzlicher Grundlage blockieren würden.
Internetprovider interpretieren den Ausgang des Gesprächs am Dienstag mit Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen über Netzblockaden anders als die CDU-Politikerin selbst. Teilnehmer der Runde betonten gegenüber heise online am heutigen Donnerstag, dass sie die gewünschten Sperren von kinderpornographischen Webseiten nur auf Basis einer klaren gesetzlichen Regelung durchführen würden. Bundesregierung und das Parlament müssten vorher verdeutlichen, dass sie "Access Blocking" als geeignetes Mittel zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung Minderjähriger ansehen", sagte Michael Frenzel, Leiter Unternehmenskommunikation bei 1&1. Die technische Lösung habe zudem das Fernmeldegeheimnis und andere Grundrechte der Nutzer zu berücksichtigen. Vorher würde sich "nichts bewegen" in dieser verfassungsrechtlich heiklen Frage, erklärten andere Gesprächsteilnehmer.
Die Familienministerin hatte sich zuvor zuversichtlich gezeigt, dass bis Anfang März eine "Vereinbarung" mit den Providern zum Sperren kinderpornographischer Angebote zu finden sei. Einige "Mutige" seien bei dem Treffen, an dem unter anderem auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sowie der Präsident des Bundeskriminalamts (BKA), Jörg Ziercke, beteiligt waren, bereits vorangegangen und hätten eine Art Selbstverpflichtung der Branche angekündigt. Eine solche vage Zusicherung gibt es bislang aber nur auf europäischer Ebene von Mobilfunkern im Rahmen der "Mobile Alliance against Child Sexual Abuse Content" des Branchenverbands GSMA.
Die Lesart von der Leyens unterstützt derzeit öffentlich so allein Arcor/Vodafone. Thomas Ellerbeck, Direktor Unternehmenskommunikation und Politik bei Vodafone, erklärte gegenüber heise online, dass auch er am Ende der Beratungen der Arbeitsgruppe eine unterschriftsreife Selbsterklärung der Branche zum Sperren von Kinderpornographie im Internet sehe. Dafür müssten freilich die "rechtlichen Rahmenbedingungen" etwa in der Form geschaffen werden, dass eine staatliche Stelle wie das BKA die Liste der zu blockierenden Seiten etwa in Kooperation mit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien verantworte. Die Zugangsanbieter dürften nicht in die Rolle von Kontrolleuren von Inhalten gedrängt werden. Ein Handeln sei bei Kinderpornographie aber überfällig.
Ziercke hätte den Providern laut gut unterrichteten Kreisen am liebsten gleich eine Sperrliste zukommen lassen wollen. Er habe zudem auf hybride, die Ebene des Domain-Name-Systems (DNS) und der eigentlichen IP-Nummern hinter den Webadressen umfassende Blockaden gedrängt. Eine entsprechende Umsetzung würde nach Ansicht von Branchenvertretern aber gut zwei Jahre in Anspruch nehmen und Millionen an Anschaffungskosten für die Technik verschlingen. Von der Leyen will demgegenüber lieber heute als morgen kinderpornographische Seiten nach skandinavischem Vorbild gesperrt wissen und sich daher mit einer vergleichsweise einfach umgehbaren DNS-Blockade zufrieden geben.
Einig sind sich beide Seiten, dass eine gemeinsame Arbeitsgruppe unter der Federführung des Familienministeriums eventuell schon von kommender Woche an rechtliche und technische Sperrmöglichkeiten besprechen will. Aber schon an der Frage, wo eine gesetzliche Regelung verankert werden könnte, scheiden sich die Geister. Provider-Vertreter sind der Meinung, dass es keinen Sinn mache, das umstrittene Telemediengesetz (TMG) aufzumachen und dort Blockadeverpflichtungen festzuschreiben. Realistischer scheint ihnen ein Spezialgesetz, das nach einer gründlichen öffentlichen Debatte und Anhörungen verabschiedet werden könnte. Von der Leyen brachte dagegen gerade wieder das TMG ins Spiel, auch wenn ihr eine freiwillige Selbstverpflichtung der Industrie angesichts der Bundestagswahlen im Herbst offensichtlich lieber wäre. Schließlich gibt es beim Koalitionspartner SPD auch erhebliche Bedenken gegen netzseitige Web-Blockaden. Zugegen waren bei dem Gespräch neben den Präsidenten von Branchenvereinigungen Abgesandte von 1&1, Alice/Hansenet, Arcor/Vodafone, Freenet, o2/Telefonica und der Deutschen Telekom.
Siehe dazu auch:
- Familienministerin: Provider machen mit beim Sperren von Kinderporno
- Bundesregierung treibt Netzblockaden gegen Kinderpornografie voran
- Bundesregierung berät mit Providern über Kinderporno-Sperren
- Piratenpartei: Verhindern von Kinderporno statt Internetsperren
- "Wir verbannen Kinderpornografie wieder unter den Ladentisch"
- Niedersachsens Innenminister fordert Filterprogramme gegen Kinderpornos
- Webseiten-Sperrungen weiter in der Diskussion
- Familienministerin will Kinderporno-Sperren bald umsetzen
- Forderung nach Webseiten-Sperrungen entzweit die große Koalition
- Bundesfamilienministerin fordert Netzsperren gegen Kinderpornographie
(Stefan Krempl) / (pmz)